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Die Insel - Roman

Titel: Die Insel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon Thomas A Merk
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Die beiden, die ich in den letzten Tagen hatte sehen müssen, genügten mir vollauf. Aber ich konnte nicht anders,
ich musste einfach wissen, ob es wirklich Wesley war, der dort unten lag, und dass er ganz bestimmt nicht mehr am Leben war.
    Allerdings traute ich mich nicht, so wie Kimberly aufrecht an den Abgrund zu treten. Etwa einen Meter davor ging ich hinunter auf Hände und Knie und krabbelte auf allen vieren weiter bis zum Rand.
    Die Schlucht war nicht einmal annähernd so tief, wie ich befürchtet hatte, aber immer noch tief genug, um sich das Genick zu brechen.
    Sechs bis sieben Meter ging es hinab, und die Wände waren extrem steil. Der Boden der Schlucht bestand aus einer flachen, leicht schräg liegenden Felsplatte, auf der in mehreren kleinen Spalten hier und da ein paar Büsche wuchsen.
    Während ich mir die Schlucht so ansah, versuchte ich absichtlich nicht auf den Leichnam zu blicken, der auf dem linken Teil der Felsplatte lag. Erst nachdem ich alles andere betrachtet hatte, sah ich ihn mir genauer an.
    Er war nackt und lag mit dem Gesicht nach unten da wie jemand, der beim Sonnenbaden eingeschlafen war. Was zu diesem Bild allerdings überhaupt nicht passte, waren die unschöne Farbe seiner Haut und die hässliche Wunde in der Mitte seiner rechten Gesäßbacke, die aussah, als hätte ihm jemand ein zweites Arschloch verpasst. Und natürlich sein Hinterkopf, an dem ich durch ein großes Loch eine breiartige, bräunliche Masse sehen konnte. An seinem linken Bein war unterhalb des Knies kein Fleisch mehr - irgendein Tier musste seinen Unterschenkel bis auf die Knochen weggefressen haben. Ein Tier, das sehr viel größer war als die, die ich über seine Haut krabbeln und rings um seinen eingeschlagenen Kopf durch die Luft schwirren sah.

    »Na, ist er dir tot genug?«, fragte Kimberly, die sich neben mir immer noch nach vorne beugte. Ihre langen, schwarzen Haare hingen herab, sodass ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. Vielleicht war das auch gut so, vielleicht hätte ich den Ausdruck der Freude und des Triumphs nicht ertragen. Man konnte die Befriedigung am Klang ihrer Stimme hören.
    »Könnte man sagen«, murmelte ich ohne allzu viel Enthusiasmus.
    Dann trat sie vom Rand des Abgrunds zurück, und ich krabbelte auf allen vieren nach hinten.
    »Sonst noch jemand?«, fragte sie, während ich aufstand. Sie zog Keiths Hawaiihemd aus und ging zu der Stelle, an der sie Speer und Tomahawk abgelegt hatte.
    »Ich muss ihn nicht unbedingt sehen«, sagte Billie.
    Kimberly trat auf sie zu. »Gib mir doch bitte das Seil«, sagte sie.
    »Wozu?«
    »Weil ich zu ihm hinunter will.«
    »Wieso denn das?«, murmelte ich. »Das ist doch völlig unnötig.«
    »Doch, es ist nötig«, erwiderte Kimberly, die ich noch nie so aufgekratzt erlebt hatte. Es machte mir richtig Angst. »Ich muss sicher sein, dass es auch wirklich Wesley ist.«
    »Natürlich ist er es. Wer sollte es denn sonst sein?«
    »Wer weiß? Es gibt tausend Möglichkeiten.«
    »Es ist Wesley«, sagte ich.
    Connie sah sie finster an. »Du hast doch gesagt , dass es Wesley ist.«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass er es ist. Aber eben nicht hundertprozentig. Deshalb muss ich hinunterklettern und ihn umdrehen.«

    Ihn umdrehen ?
    »Oh Mann«, stöhnte ich. »Tu das nicht. Du wirst ihn doch nicht anfassen wollen, oder?«
    Sie lächelte mich seltsam an und sagte: »Und ob ich das will.«
    »Hier«, sagte Billie, während sie sich das aufgerollte Seil von der Schulter nahm und es Kimberly gab.
    »Es gibt keinen Grund, da hinuntersteigen«, protestierte ich. »Du weißt genauso gut wie ich, dass es Wesley ist.«
    » Du weißt es vielleicht. Ich nicht.«
    »Doch, du weißt es.«
    »Weiß ich nicht.«
    »Das ist nicht lustig.«
    »Glaubst du, dass ich Witze mache?«
    »Du bist seltsam .«
    »Er hat Recht«, sagte Connie.
    »Hört doch auf zu streiten und lasst uns alle zurück zum Lager gehen«, schlug Billie vor.
    Das eigenartige Grinsen verschwand aus Kimberlys Gesicht. »Ich tue, was ich tun muss. Und glaubt mir, ich muss da hinunter und unserem toten Freund einen Besuch abstatten, denn wenn er nicht Wesley ist, haben wir ein Problem. Und wenn er Wesley ist, dann …« Sie zuckte mit den Schultern.
    »Dann was?«, fragte Billie.
    »Nichts. Ich möchte nur sicher sein, dass er es ist. Wisst ihr was? Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass der Mann da unten nicht groß genug ist, um Wesley zu sein.«
    »Das ist doch Unsinn«, sagte ich.
    Ohne

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