Die Insel und ich
abheben.
Das ist überhaupt die beste Methode, die Produkte meiner Gartenkunst zu bewundern. Hundert Meter vom Strand entfernt sieht alles wunderbar aus. Kommt man dem Garten zu nah, dann entdeckt man all die Brennesseln, Winden, Zaunreben, Ampfer und Quecken, die meine zarten Pflänzchen zu ersticken drohen.
Der größte Fehler, den wir machten, bestand wohl darin, daß wir auf Mutter als unsern einzigen richtigen Gärtner vertrauten – einen, der tagein, tagaus geduldig umhergeht, umpflanzt, jätet und beschneidet, mal hier und mal dort. Ich stürze mich nur von Zeit zu Zeit auf den Garten und arbeite dann stundenlang. Don dagegen wartet, bis alles fast das Haus überwuchert, dann nimmt er die Sense und ‹macht Ordnung›, was in meiner Sprache Azaleen abrasieren, Blaudisteln köpfen, Heidekraut ausroden und ähnlichen Vandalismus bedeutet.
Der beste Gemüsegarten, den wir je hatten, war unser erster, und wir hatten ihn in einer alten Senkgrube angelegt. In einer alten Senkgrube, die nicht ganz richtig funktionierte, wie uns die Hendersons damals schmunzelnd erzählt hatten – als ob das Nicht-Funktionieren einer Senkgrube eine vorübergehende Krankheit wie etwa Rheumatismus sei, die durch feuchtes Wetter verursacht, aber im Frühling von selbst behoben würde.
Wir brauchten im Frühjahr gar nicht erst an die Ufermauer hinunterzugehen, um uns zu überzeugen, daß die alte Senkgrube nicht funktionierte. Wir merkten es schon, wenn wir bloß die Haustür aufmachten. Joan rief ganz stolz: «Hui, unsre Senkgrube kann man bis zur Bus-Haltestelle riechen!» Eines Samstagvormittags gingen also Don und ich hinunter und stocherten ein wenig herum. Nach fünf Minuten war es uns ganz klar, daß sich die Senkgrube seit vielen, vielen Jahren nicht mehr in die eigentliche Grube entleert hatte, sondern heimtückisch in ein Gebiet von etwa dreizehn Meter Länge und fünf Meter Breite der Ufermauer entlang versickert war. Don bohrte Abzuglöcher in die Ufermauer, reinigte die Einfluß- und Abflußrohre und bemerkte griesgrämig, daß er andre Vorstellungen von einem freien Samstag habe, als hier so in einer Abortgrube zu stehen. Schließlich legte er, als die Flut gerade richtig stand, die Grube bloß und reinigte sie ebenfalls, bis alles wieder funktionierte.
Obwohl die ganze Sickerflüssigkeit abgelaufen war und die Ufermauer besser roch, sah das Stück Land an der Stelle doch verwahrlost und unordentlich aus. Don schlug vor, Kleesamen zu kaufen und auszusäen; da das jedoch sein Allheilmittel für alles ist, was nicht mit Whisky in heißer Milch kuriert werden kann, beschloß ich, einen Gemüsegarten anzulegen. Ich raufte alle Ranken und alles Unkraut aus, Don grub den Boden um, und dann – da es schwerer Lehmboden war – stellte ich die Kinder an, mir etwa fünfzig Eimer (sie behaupten, es seien tausend gewesen) Sand vom Strand zu holen. In den folgenden zwei Wochen arbeitete ich den schweren Lehm so gründlich durch, bis meine Hände nur noch aus Blasen mit Fingerstummeln bestanden. Doch ich hatte nun leichten, lockeren Boden.
Ich legte Beete an, die säuberlich von Norden nach Süden verliefen, und wir pflanzten Radieschen, Salat, Mohrrüben, Artischocken, Spinat, Schwarzwurzeln, Gurken, Sommerkürbis, Courgettes, Knoblauch, Zwiebeln und Tomaten. Ich steckte kleine Stückchen mit den Samentüten zu Häupten von jedem Beet, doch war die Sorge unnötig. Das Gemüse schoß wirklich raketenartig aus dem Boden hervor und gedieh so üppig, daß selbst unsere kurzsichtige Anne und ich, wenn wir auf dem Landesteg vom Fährboot standen, bereits die Mohrrüben von den Schwarzwurzeln unterscheiden konnten.
Weil alles so schnell wuchs, wurde manches auch hohl wie Flaschenkürbis, aber ich war trotzdem schrecklich stolz und wollte gern abgeben, bis Anne und Joan eines Tages atemlos angestürzt kamen und mir voller Genugtuung erzählten, die ganze Bucht rede über meinen Garten und warte gespannt darauf, daß wir alle Hakenwurm oder eine ähnliche schöne Krankheit bekämen. «Fängt Hakenwurm nicht mit Schmerzen unter den Rippen an?» fragte Joan.
«Nein», sagte ich ärgerlich, «das kommt bloß daher, wenn man sieben Brote mit Erdnußbutter und drei Flaschen Coca-Cola vor dem Frühstück verschlingt und darüber vergißt, sein Bett zu machen.»
Dann rief ich Marys Mann an, der Arzt ist, und fragte ihn, ob es gesundheitsschädigend sei, was wir getan hätten. Er erwiderte sehnsüchtig, daß er wünschte, er hätte so guten
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