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Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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der Ironie – er war zum Teil Hund, zum Teil Lurger. Ein Halbblut von Venn, genau wie ich.
    Er spürte, dass ich mich ihm zuwandte, und schlug mit mehr Begeisterung als Verstand mit dem großen Schwanz auf den Boden, knallte ihn wie eine Keule gegen die Fischkisten. Daraufhin jaulte er, winselte unterwürfig und machte sich daran, mir übers Gesicht zu lecken. Glücklicherweise war ich diesmal schnell genug, um mich zu ducken, aber dennoch spritzte sein Speichel in alle Richtungen. Ich befahl ihm, sich hinter die Kisten zu begeben, und ziemlich kleinlaut gehorchte er. Trotz seiner Größe war er letztlich kaum mehr als ein Hündchen.
    Ich machte mich mit einem gewissen Zögern auf den Weg, mitten ins Herz von Gorthen-Hafen.
    Je mehr ich in Erfahrung brachte, umso überzeugter wurde ich, dass ich in etwas getreten war, das zu groß für mich war, um es handhaben zu können. In jeder Intrige von Gorthen-Nehrung gab es unzählige Geschichten, in jeder Welle zahlreiche Wirbel, und ich spürte, dass meine Suche nach einer cirkasischen Sklavin mich in ein Gewässer manövrierte, von dem ich nicht die geringste Ahnung hatte – was bedeutete, dass ich nur zu leicht dabei ertrinken konnte.
    Während des frühen Nachmittags war es in Gorthen-Nehrung gewöhnlich heiß und ruhig. Der weiße Sand blendete unerträglich in der grellen Sonne, und selbst das schroffe Glitzern des Meeres war hart für die Augen. Es war die Tageszeit, in der auch die Gerüche im Hafenviertel besonders schlimm waren. Sie tränkten die Luft und machten jeden Atemzug zu einer unangenehmen Anstrengung. Wer auch immer es sich leisten konnte, hielt sich im Innern eines Gebäudes auf und verschloss die Fensterläden, um zu schlafen, so wie ich es getan hatte. Sogar die streunenden Hunde dösten, streckten sich mit eingezogenen Köpfen und Schwänzen in den Schatten aus.
    Als ich Tanns Hündchen verließ – spät am Nachmittag –, kehrte wieder Leben in das Viertel ein. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Hafen von einem Phänomen wiederbelebt, das die Bewohner des Hafens als » Doktor« bezeichneten. Der Doktor war eine Brise, die vom Ozean herkam und kühlende Feuchtigkeit mit sich brachte, die die Hitze vertrieb und den Gestank linderte. Die Nachtboote verließen jetzt den Hafen, kreuzten gegen den Wind auf ihrem Weg zum Meer, wo sie fischen würden. Es war zu dieser Zeit, dass die Stadt ihre Lethargie abschüttelte. Ladeninhaber stießen Holzläden auf, Hausierer beschwatzten Passanten, Bettler zerrten ihre kranken Körper an die meistbesuchten Ecken, und Hunde liefen auf der Suche nach allem Möglichen, das sie stehlen konnten, durch die Straßen. Der Kontrast zu der Benommenheit am frühen Nachmittag war verblüffend, aber nie von Dauer, wie ich wusste. Sobald die Nacht hereinbrach, würde sich die Atmosphäre wandeln, die Läden würden schließen und die Bars und Bordelle öffnen. Die Geschäftigkeit und Rechtmäßigkeit des nachmittäglichen Handels ging schon bald über in die ruhigere und bedrohlichere Heimlichtuerei der Nachtgeschäfte; eine Heimlichtuerei, die von pöbelnden und gewalttätigen Betrunkenen untermalt wurde, oder schlimmer noch, von jener Art von Geräuschen, denen man am besten nicht weiter nachging. Es kam selten vor, dass in einer Nacht mal nicht ein oder zwei Leute ermordet wurden.
    Ich trug mein Schwert griffbereit auf dem Rücken und hatte die Hand auf dem Geldbeutel an meinem Geldgürtel liegen (die Diebe des Hafenviertels waren bekanntermaßen sehr geschickt, und ich konnte es mir nicht leisten, das wenige Geld auch noch zu verlieren, das ich besaß), als ich losging, um jemanden zu treffen, der mir während meines letzten Besuches in der Stadt geholfen hatte.
    Ich fand ihn nicht. Der Laden, den er einst besessen hatte, existierte nicht mehr. Er war ebenso wie die Übrigen in dieser Straße bis auf die Grundmauern abgebrannt, etwas, das nicht selten vorkam an einem Ort, an dem die meisten Gebäude aus Holz errichtet und mit Seetang gedeckt waren und eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Bewohnern entweder verrückt oder gewohnheitsmäßig betrunken war. Oder beides. Niemand konnte mir sagen, was mit dem Ladenbesitzer geschehen war. So war das auf Gorthen-Nehrung: Die Leute kamen und gingen, sie starben oder verschwanden, und niemanden kümmerte es.
    Ich machte Halt bei einer nahen Fisch-und-Fusel-Bude, wo es natürlich wieder nur Fisch und Meeresfrüchte gab. Diesmal entschied ich mich für eine billige Mahlzeit aus Seetang und

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