Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
beschäftigt waren, Köder an Fangseilen zu befestigen. Einer von ihnen hob den Blick, grinste und schien etwas sagen zu wollen – bis er das Schwertheft aus der Scheide an meinem Rücken herausragen sah und sich eines Besseren besann.
Es dauerte nicht lange, bis ich den Hund gefunden hatte. Deutlich schwieriger war es, ihn dazu zu bringen, mir zu vertrauen. Köter auf Gorthen-Nehrung lernten früh in ihrem Leben eine Menge über Vertrauen und Überleben, und nichts davon war gut. Schließlich ließ er sich durch etwas Brot mit Fischpaste davon überzeugen, dass ich nicht gar so schlecht sein könnte, und er gestattete mir, ihn mit der Salbe einzureiben, die ich besorgt hatte. Sein anfängliches Knurren verwandelte sich in schmeichlerisches Jaulen und dann in feuchtes Lecken.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich bei dem, was ich tat, beobachtet werden würde, aber genau das geschah.
Der Schankjunge erwischte mich.
Er stand da und gaffte mich eine Weile an, als könnte er nicht glauben, was er sah. Ich schätzte ihn auf ungefähr zwölf, aber vielleicht war er auch vierzehn, wenn er klein geblieben war. Er war einmal blond gewesen, sofern die Sommersprossen irgendeine Aussage zuließen, aber er war so schmutzig, dass es schwer zu erkennen war. Ich fand keine Ohrtätowierung bei ihm. Im Schankraum hatte er mich mit trüben, nicht sehr klugen Augen angesehen. Als er mich jetzt betrachtete, fand ich keinerlei Hinweis auf Dummheit darin.
» Nein, Junge«, sagte ich, als er drauf und dran war, wegzulaufen. » Du brauchst keine Angst zu haben. Ich will weder dir noch deinem Hund was tun.« Ich reichte ihm den Krug mit der Salbe. » Hier, nimm das. Wenn du ihn einmal am Tag damit einreibst, ist er die Räude bald wieder los. Du wirst ihn nicht wiedererkennen, wenn er erst ein richtiges Fell hat.«
Er kam so behutsam näher wie eine Katze im Schnee, und dann nahm er den Krug, während der Hund als Zeichen, dass er ihn bemerkt hatte, mit dem Schwanz auf den Boden klopfte. » Wie nennst du ihn?«, fragte ich.
Ich musste ihn bitten, die kaum verständliche Antwort zu wiederholen, dann endlich begriff ich, dass er » Sucher« gesagt hatte. Was ein interessanter Name für einen Hund war. Vielleicht war an dem Jungen doch mehr dran als ich gehofft hatte. Ich kramte in meiner Geldbörse nach einigen Münzen. » Siehst du die hier? Sie gehören dir, wenn du mir einige Fragen beantwortest. Es spielt keine Rolle, wenn du manches nicht beantworten kannst; sag es mir in dem Fall einfach. Hast du verstanden?«
Er wich ein bisschen zurück. Vermutlich dachte er, dass ich seinem Hund nicht nur aus reiner Herzensgüte geholfen hatte, und war misstrauisch.
» Wie heißt du?«, fragte ich.
» Tann«, sagte er und fügte dann zögernd hinzu: » Zufelig.« Ich war mir nicht ganz sicher, ob er meinte, dass sein Name Tann Zufelig lautete, oder dass er nur zufällig und hier vor Ort Tann genannt wurde. Wie auch immer, ich ging dieser Frage nicht weiter nach. Stattdessen fragte ich ihn, ob er einen Mann namens Niamor, den Unterhändler, kannte.
Er nickte.
» Erzähl mir etwas über ihn.«
In diesem Moment begriff ich, dass wir ein Problem hatten. Tann sprach ganz offensichtlich so selten, dass er einfach vergessen hatte, wie es ging – sofern er es jemals richtig gekonnt hatte. Er konnte alles verstehen, aber seine eigene Sprache war ähnlich artikuliert wie das Geschnatter eines zurückgebliebenen Papageien. Er wollte entgegenkommend sein, doch das Gewirr von Lauten, das aus seinem Mund kam, konnte man kaum als Worte bezeichnen. Seine erste Anstrengung brachte etwas hervor, das ungefähr so klang wie: » Win N’mor ws sacht, sima wa. Ir kinm glom.« Es gelang mir, dies zu übersetzen als: » Wenn Niamor etwas sagt, ist es immer wahr. Ihr könnt ihm glauben.«
Er war nicht unintelligent; tatsächlich wusste er sehr viel mehr, als er mit Worten sagen konnte. Wut kam in mir auf, auf eine Welt, in der sich niemand die Mühe gemacht und die Zeit genommen hatte, einem Kind das Sprechen beizubringen. Da dieses Gefühl nirgendwohin führte, verschwendete ich meine Zeit jedoch nicht damit. Es gelang mir mit einer ordentlichen Portion Beharrlichkeit und vielen, sorgfältig formulierten Fragen herauszufinden, dass Niamor auf Gorthen-Nehrung war, seit Tann sich erinnern konnte. Einem Gerücht nach – das ich, wie ich mich jetzt schwach erinnerte, schon bei meinem letzten Besuch gehört hatte – war der Quillaner in seiner Heimat in eine
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