Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
mit einer großen, schwarzen Schleife unter dem Kinn festgebunden wurden. Sie hielten es für eine Sünde, ins Freie zu treten, ohne sich in diese ziemlich lächerliche und unbequeme Kopfbedeckung zu zwängen. Außerdem trugen sie Schuhe mit hohen Absätzen, die sich über die gesamte Sohle erstreckten, was sie zu eher unbeholfenen Fußgängern machte. Ihr habt vielleicht schon von ihnen gehört. Die Fellih-Gläubigen waren eine eigenartige Sekte, die ihren Anfang in Mekaté genommen hat; im Prinzip eine Kombination aus heidnischem Aberglauben und dem menodischen Glauben an einen einzigen Gott. Sie sind jetzt zum größten Teil verschwunden, weggeschwemmt von der beherrschenden Doktrin der Menoden, was für die Menschheit keinen großen Verlust darstellt. Ein unfreundlicher Haufen war das, noch dazu an manchen Orten recht mächtig.
» Willst du ihm nicht mit deinem Schwert folgen, um ihn für die Beleidigung büßen zu lassen?«
» Komm schon, Niamor. Wenn ich jeden mit meinem Schwert durchbohre, der mich beleidigt hat, wäre ich der größte Massenmörder, den die Inseln je erlebt haben. Also, heißt das jetzt, dass die Fellih-Gläubigen Missionare hierher schicken?«
» Ja, das heißt es. Seit ein paar Monaten versuchen sie, Sünder dazu zu überreden, zu ihrer seltsamen Gruppe mit ihrem religiösen Zelotismus überzutreten.«
Ich war skeptisch, denn ich war in Mekaté gewesen und hatte die Predigten der Fellih-Gläubigen gehört. Sie vermischten Gerechtigkeit und Verurteilung, Sex und Sünde, Vaginas und Lasterhaftigkeit – und das Ergebnis war eine Mischung aus Ignoranz, Bigotterie und Todesfurcht, die sie als Religion bezeichneten. Sie forderten von den Frauen nicht die gleichen rigiden Kleidervorschriften, aber der Moralkodex war für beide Geschlechter derselbe. Und dann wurde, einer eigenartigen Logik entsprechend, den Anhängern auch noch das, was ihnen auf der Erde vorenthalten wurde, im Himmel als Belohnung für ihre Enthaltsamkeit in Aussicht gestellt. Etwas, das mir lächerlich erschien, aber ich hatte schon in guten Zeiten nicht viel Sinn für religiöse Philosophie gehabt.
Ich stellte mir vor, wie Fellih-Gläubige versuchten, ihre Erlösungspredigten und puritanische Moral den Menschen von Gorthen-Nehrung näherzubringen, und musste lachen. Niamor brauchte offensichtlich keine Erklärung von mir darüber, was denn so lustig war, denn er sagte: » Ich würde gern sehen, wie sie versuchen, die Huren auf der Knochenrichterstraße zu bearbeiten.«
» Und ich würde gern sehen, wie sie den Bordellbesitzern am Hafen erklären, dass sie ihre Geschäfte schließen sollen.«
» Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn sie Irma Goldholz bestrafen, weil sie sich die Haare gefärbt hat?« Wir kicherten wie zwei Kinder. Ich erinnerte mich an Irma; sie hatte versucht, mich einmal als eines ihrer Mädchen zu kriegen. Sie war die ziemlich große und ziemlich unflätig sprechende Madame des größten Bordells hier, eine beachtliche Frau, die so schwer aufzuhalten war wie ein großer, weißer Hai. Und fast genauso furchteinflößend.
Niamor lächelte immer noch, während er sich vorbeugte und sein Daumen in einer sehr vertrauten Geste über meine Oberlippe wanderte. Er senkte die Stimme. » Was genau interessiert dich an einer cirkasischen Sklavin, Glut?«
Ich wurde schlagartig nüchtern. Achtung, Glut. Er ist kein Narr, und er könnte dir ein bisschen zu sehr gefallen. » Ich habe den Auftrag, eine zu kaufen. So einfach ist das. Aber du kannst mir etwas viel Interessanteres erzählen: Was geht hier eigentlich vor, Niamor?«
» Du bist heute Morgen mit einem cirkasischen Fischerboot gekommen, nicht? Und du weißt bereits, dass hier etwas vorgeht? Wer zur Hölle bist du, meine Hübsche?«
Das Lachen war vergessen; wir beschnüffelten einander wie zwei vorsichtige Hunde, was die ganze Nacht so hätte weitergehen können, da tatsächlich keiner von uns etwas sagte. Einer musste dieses Patt überwinden. Ich grinste. » Jemand, der dir sehr ähnlich ist, vermute ich. Ich tu das hier für Geld, das ich dringend benötige. Vor allem möchte ich mit heiler Haut aus der Sache rauskommen. Ich trete nicht gern irgendwem auf die Zehen, Niamor, und schon gar nicht auf welche, die jemandem gehören, der ein gutes Stück größer ist – sinnbildlich gesprochen – als ich. Ich würde sehr gern wissen, wo ich nicht hintreten darf.«
Er nickte, als könnte er dies als Wahrheit akzeptieren. » Dann haben wir eine Menge
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