Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
eingelassen hatte. Sie hatte deren Glauben stets verachtet.
» Sie hat einen Gläubigen verführt.«
Mein Herz sackte nach unten. Oh, bei der Schöpfung, Jastriá, was hast du nur getan? Ich schluckte, suchte immer noch nach einem Sinn in alldem, nach etwas, das diesen Wahnsinn aufhalten konnte. Beim Selbermist, denk nach! Sprich durch Wolle zum Weber, durch Musik zum Flötisten, durch Liebe zur Ehefrau … Spiel ihr Spiel, wenn es nötig ist. » Jastriá is nicht mehr mit mir verheiratet, also kann sie kaum Ehebruch begangen haben.«
» Ihr habt Euch von ihr scheiden lassen? Wo sind die Papiere?«
» Bei uns auf dem Dach von Mekaté gibt es keine Papiere, Exemplar Pellidree. Ich hab Jastriá seit mehreren Jahren nicht mehr, äh, beigewohnt. Gemäß unseren Bräuchen bedeutet das, dass wir nicht mehr verheiratet sind.«
» Das erfüllt nicht die Ansprüche des Fellih-Gesetzes.«
» Ihr erkennt unsere Gebräuche nich an? Dann isses ja gut. Wir sind nämlich nach diesen Bräuchen verheiratet worden. Es gab auch dabei keine Papiere. Eurer Auffassung nach sind wir also nie verheiratet gewesen. Ihr könnt einer Frau nich Ehebruch vorwerfen, wenn sie niemals verheiratet war.«
» Ihr spielt mit Worten, Hirte! Und Ihr spielt auch mit der Wahrheit. Eure Frau hat herumgehurt und wird dafür bestraft werden. Wie auch immer, es ist unerheblich, dass sie möglicherweise nicht verheiratet war: Sie hat einen unserer Gläubigen verführt! Sie wurde in flagranti mit ihm erwischt, nicht einmal unter einem Dach wie bei anständigen Leuten, sondern draußen, ohne irgendwelche Schamgefühle, brünstig wie ein Tier im Gras. Ihr Liebhaber war verheiratet, auch wenn sie selbst es nicht gewesen sein sollte. Sie ist vor Gericht gebracht und verurteilt worden, und das kann nicht rückgängig gemacht werden.« Seine Stimme ließ vermuten, dass ihm das alles herzlich wenig ausmachte und dass er sich angesichts der Umstände fragte, wieso es mir etwas ausmachte. Ich fing einen Hauch Empörung auf, wenn auch kaum etwas anderes. » Ihr bleibt nicht mehr viel Zeit«, sprach er weiter. » Ihre Hinrichtung wird bei Sonnenuntergang auf dem Marktplatz vollzogen werden.«
» Bei Sonnenuntergang? Heute?«
» Heute.«
» Bei der Geburt der Schöpfung!« Ich saß auf dem Stuhl, dem scheinheiligen Priester gegenüber, und hatte das Gefühl, als hätte man mich ausgeweidet. Schließlich schaffte ich es, in aller Ruhe zu sagen: » Lasst Ihr bei Euren Entscheidungen niemals Barmherzigkeit walten, Exemplar? Ihr nennt Euren Gott Fellih-Meister, den Barmherzigen. Is das etwa Barmherzigkeit?«
» Stellt nicht die Wege des Fellih-Meisters in Frage, Heide.« Sowohl seine Stimme als auch sein Körpergeruch verrieten, dass er eine deutliche Warnung ausgesprochen hatte.
» Was is mit Jastriás Liebhaber? Wird er ebenfalls hingerichtet werden?«
» Mir gefällt Eure Wortwahl nicht, Hirte! Und ja, der Mann hat bereits die Strafe für sein Verbrechen erhalten. Er ist wegen unerlaubter Bekanntschaft mit einer Heidin verurteilt und hingerichtet worden.«
Ich holte tief Luft und versuchte, den kranken Aufruhr in meinem Innern zu beruhigen. » Gibt es keine Möglichkeit, Jastriás Hinrichtung aufzuhalten? Oder zumindest zu verschieben?«
» Nein. Die Entscheidungen des Hofes werden nie zurückgenommen. Wieso sollten sie auch? Sie werden nur nach dem Anrufen der Führung des Fellih-Meisters gefällt und können daher nicht falsch sein. Eure Frau ist nur deshalb noch am Leben, weil es als vernünftig erachtet wurde, Euch zu informieren, ehe sie stirbt. Denn Ihr seid ein Geschädigter und außerdem für die Angelegenheiten Eurer Frau verantwortlich.«
Ich spürte, wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich. » Soll das heißen, ich führe jetzt Jastriás Tod herbei, weil ich hergekommen bin?«
Der Exemplar zuckte mit den Schultern. » Wir hätten die Hinrichtung so oder so nicht mehr viel länger hinausgezögert.«
Ich saß einen Moment da, vollkommen unfähig, noch etwas zu sagen. Schließlich brachte ich ein paar erzwungene Worte zustande. » Jastriá … kann ich sie sehen?«
» Natürlich. Es ist recht, dass Ihr das tut; eine Ehebrecherin sollte sich dem Mann stellen, dem sie Unrecht zugefügt hat, und seine Strafe entgegennehmen. Ich lasse Euch von jemandem in die Zelle hinunterführen.« Er läutete eine Glocke an seinem Tisch und gab dem Mann, der darauf antwortete, einen Befehl.
Ich erhob mich, aber es kostete mich große Mühe, denn meine Beine
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