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Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Titel: Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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nicht gestattet, irgendeine andere Farbe als Blau zu tragen. Auch war es ihnen untersagt, allein die Straße entlangzugehen; tatsächlich forderte der Fellih-Glaube von ihnen, stets in Gruppen zu zweit oder mehreren zu gehen – vermutlich, um sicherzugehen, dass sich jeder Einzelne anständig benahm. Den gläubigen Fellih-Frauen wurden weniger einschneidende Verhaltensregeln auferlegt, sie durften vor allem keinen Ehebruch begehen oder die Männer mit ihrem Verhalten oder ihrer Kleidung verführen. Jastriá hatte mir einmal den Grund für diese unterschiedliche Behandlung erklärt. Es hatte nichts mit einer freieren Einstellung gegenüber Frauen zu tun, eher im Gegenteil; das war ein ziemlich übler Aspekt dieser Religion: Man dachte, dass sich die Mühe bei Frauen einfach nicht lohnte, und so machte man sich auch keine Gedanken um sie. Der Fellih-Meister verachtete sie, und die Heilige Schrift war voller Geschichten über gedankenlose, oberflächliche Frauen, denen man sowohl die Fähigkeit zur Frömmigkeit als auch die zur Gelehrsamkeit absprach. Eine Frau, so schien es, gelangte nur dann ins Paradies, wenn ihr Ehemann in seinem Leben genügend Verdienste angehäuft hatte, um sie mitzunehmen. Reiche Frauen heirateten daher oft mehr als einen Gatten, in der Hoffnung, dass einer von ihnen sich als Manns genug erweisen würde, um sie in den Himmel zu befördern. (Jastriá hatte darauf mit einem sarkastischen Lachen reagiert, weil dies ihrer Ansicht nach eher ein Beweis für die Intelligenz der Frauen war.)
    » Wenn Ihr etwas mit dem Exemplar zu besprechen habt, werdet Ihr warten müssen«, sagte der Schneckenverkäufer zu mir, während ich die Menge musterte. Er schnippte die Spitze einer Schneckenhülle weg und saugte das Tier mit einem schlürfenden Geräusch aus der Schale. » Aaah, köstlich. Und Ihr wollt wirklich nichts essen?« Ich schüttelte den Kopf. » Der Exemplar wird sich erst um diese verdorbene Brut der Kaufleute kümmern müssen, bevor er sich mit dem Fall von jemandem von der Himmelsebene beschäftigt.« Er schnaubte, als wollte er sagen, dass er nicht viel von den Fellih-Gläubigen hielt. » Seid vorsichtig, Hochländer; es ist nicht gut, sich mit einem Fellih-Priester anzulegen.«
    » Zumindest seid Ihr noch so frei, dass Ihr kritisieren dürft«, sagte ich und begab mich in den Windschatten seiner gebratenen Schnecken. Verbranntes Fleisch machte mich immer etwas unruhig. Ich dachte daran, dass ich mich durch mein voreiliges Einschreiten in der vergangenen Nacht vielleicht bereits mit zumindest einem Priester angelegt hatte. Ich konnte nur hoffen, dass ich dem Mann nicht noch einmal über den Weg lief.
    » Noch garantiert der Havenherr den Bewohnern von Mekaté Religionsfreiheit«, pflichtete der Verkäufer mir bei. » Trotzdem wäre ich nicht gern ein Fellih-Gläubiger. Sie haben ein eigenes Rechtssystem, das die Gläubigen unterdrückt. Es macht den armen Kerlen das Leben verdammt schwer. Seid Ihr sicher, dass Ihr keine Schnecken wollt? Sie sind absolut frisch. Sie zucken noch, wenn sie auf die Kohlen kommen.« Er wedelte mit einer Schnecke unter meiner Nase herum, wobei er sie an einem Fühler hochhielt. Das Tier lebte noch.
    Ich trat hastig zurück, prallte gegen irgendetwas oder irgendjemanden und entschuldigte mich, ehe ich begriff, dass ich mit einem Pfosten gesprochen hatte, der in den Boden getrieben worden war. Der Schneckenverkäufer grinste, und ich spürte, wie meine Ohren brannten. Das ist einer der Nachteile, wenn man rothaarig und hellhäutig ist: Wenn man errötet, ist es nur zu deutlich zu sehen.
    Ich ging weg, um mir irgendein ruhiges Plätzchen zum Warten zu suchen.
    Als ich schließlich etliche Stunden später ins Büro des Exemplars geführt wurde, war ich froh, dass ich dem Priester, mit dem ich in der Nacht zuvor Bekanntschaft gemacht hatte, nicht erneut begegnet war.
    Nur unter Zuhilfenahme all meiner Selbstbeherrschung gelang es mir, meinen Widerwillen vor diesem Raum zu verbergen. Das Holz, aus dem die Möbel dieses Zimmers bestanden, stammte nicht von abgeschlagenen Ästen. Es waren vielmehr ganze Bäume, die eigens für das Büro dieses Mannes getötet worden waren. Allein die Größe des Tisches entsetzte mich, und ich musste mir alle Mühe geben, um meinen Abscheu vor so viel sinnlos ausgeteiltem Tod nicht zu zeigen. Als wollte man die erfolgte Verschwendung sogar noch betonen, gewährte ein geöffneter Fensterladen hinter dem Schreibtisch einen Blick auf eine

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