Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
» Vergiss nicht das Seeufer«, sagte ich zu ihr. » Wir wollen schließlich nicht, dass irgendwer vom Wasser aus zu uns kommt.«
Sie nickte und setzte sich an den Rand des Wassers, um ihre Schutzzauber auch in dieser Richtung zu wirken.
» Dek«, sagte ich leise, als er sich hinlegte und in seine Decke rollte, » wenn du dein Leben damit verbringen willst, gegen Dunkelmagie zu kämpfen, dann solltest du wissen, dass es keine Heldengeschichte ist. Es ist wirklich und schmutzig und traurig. Menschen sterben, die nicht sterben sollten. Sie leiden. Du wirst leiden. Das Beste, was du tun kannst, ist, dich daran zu erinnern, dass du kein Held bist, wenn du erst einmal tot bist. Du bist einfach nur tot. Du hast normalerweise sehr viel mehr davon, wenn du ein Feigling bist und am Leben bleibst, als wenn du ein Held bist und während deiner Heldentat stirbst.« Er runzelte die Stirn bei meinen Worten, und ich wusste, ich hatte ihn noch nicht überzeugt. Er träumte immer noch von Bannern und Schwertern und edlen Kämpfen zwischen Helden und Bösewichtern. In Deks Welt gab es keine toten Unschuldigen, und auch keine sterbenden Helden, die sich die Eingeweide zurück in den Bauch stopften, während der Schurke unversehrt davonstapfte.
Ich sagte mit etwas mehr Einfühlungsvermögen: » Du kannst hier auf uns warten, wenn du möchtest. Du bist noch jung. Du kannst über solche Dinge entscheiden, wenn du älter bist, wenn du mehr Erfahrung hast, um gute Entscheidungen zu fällen. Du kannst jederzeit deine Meinung ändern. Jederzeit.«
Darüber musste er nicht nachdenken, ganz und gar nicht. Er schüttelte den Kopf. » Nein, ich gehe mit Euch. Ich hätte nur gern ein Schwert, das ist alles.«
» Ich werde dir schon bald eines besorgen, das verspreche ich dir. Und ich werde dafür sorgen, dass du lernst, es zu benutzen.«
Er lächelte, und ich unterdrückte einen Seufzer.
Flamme kehrte zurück. Sie wirkte bedrückt, was mich nicht überraschte. Es war nur zu gut möglich, dass sie am nächsten Tag auf die eine oder andere Weise dem Mann begegnete, der sie vergewaltigt und missbraucht hatte. » Geht es dir gut?«, fragte ich, während Dek in den Schlaf glitt.
Sie nickte und nahm meine Hand. » Du machst dir zu viel Sorgen. Es geht mir gut, wirklich.« Sie lächelte mich an, ein liebevolles Lächeln, das nur für mich gedacht war. Es lag keinerlei Hinweis auf Verrat darin, das schwöre ich. Sie war einfach nur Flamme, wie sie es immer gewesen war: mutig, entschlossen, ironisch. » Ich bin ein bisschen angespannt, aber auch erleichtert. Erleichtert, dass bald alles vorbei sein wird. Er ist hier, Glut, irgendwo, das spüre ich ganz genau.«
Ich pflichtete ihr bei. Da war etwas an der Dunkelmagie, das nach Morthred stank.
Ich drückte ihre Hand. » Wir werden ihn aufhalten«, sagte ich.
Seltsamerweise hatte ich keinerlei Probleme einzuschlafen, und ich muss gut geschlafen haben, denn ich hörte nicht das Geringste, als Flamme mitten in der Nacht das Lager verließ. Ich erwachte erst eine Stunde vor der Morgendämmerung, als mir jemand kräftig in die Rippen trat.
18
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Erzähler: Kelwyn
Erst gegen Mittag des nächsten Tages, als wir erneut anhielten, fanden Thor Reyder und ich wieder eine Möglichkeit, unser Gespräch richtig fortzusetzen. Wir waren am Morgen früh geweckt worden und hatten keinen einzigen Moment für uns selbst gehabt, bis wir zum Mittagessen – es gab Aal, der in langsam brennendem Moos gebacken worden war – eine Pause machten. Ich aß wieder Käse.
Reyder trat mit seinem Teller in der Hand zu mir und setzte sich neben mich, ein Stück entfernt von den anderen Passagieren unseres Floßes. » Schmeckt Euch das Essen nicht?«, fragte er.
» Die Leute von der Himmelsebene essen kein Fleisch, das geschlachtet worden is.«
» Oh. Das muss schwierig sein.«
» Nich in der Himmelsebene.«
Er lächelte. » Nein, vermutlich nicht. Jakan hat mir gesagt, dass Ihr Kelwyn Gilfeder heißt, und ich weiß, dass Ihr vom Dach von Mekaté stammen müsst. Ich würde gern wissen, woher Ihr Glut kennt. Wollt Ihr es mir erzählen?« Äußerlich wirkte er ruhig und beherrscht; beinahe undurchschaubar. Aber vor mir konnte er nicht verbergen, was in seinem Innern los war.
Ich zuckte mit den Schultern. » Wieso nich? Ich vermute, Glut hätte gewollt, dass Ihr erfahrt, dass sie in Sicherheit is. Das heißt, wenn sie geahnt hätte, dass unsere Wege sich kreuzen. Sie hatte keine Ahnung, dass Ihr ihr folgen würdet, wisst
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