Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
mich hastig ein, ehe diese Idee zu weit gedieh. » So etwas steht außer Frage. Ich kenne keine Gifte, und ich habe auch nich viele Schlafmittel, selbst wenn ich wüsste, wie ich sie verabreichen sollte.« Und wenn ich es überhaupt hätte über mich bringen können, jemanden zu töten, indem ich meine Fähigkeiten als Arzt einsetzte.
Glut sah Reyder kurz an, dann wieder den Turmherrn. » Dann müssen wir uns eine Möglichkeit einfallen lassen, wie wir sie voneinander trennen können, und so viele von ihnen wie möglich einzeln mit Pfeilen töten, bevor die anderen es mitbekommen. Eure Wachen führen dabei den Angriff an, mein Herr. Und dann kümmern wir – ich meine Reyder, Gilfeder, Dek und ich – uns um die Übrigen.«
Eine Stimme erklang hinter uns und mischte sich ein. » Da gibt es ein Problem, Syr-Wissende. Auf Xolchaspfeiler ist es windig. Pfeil und Bogen werden hier nicht häufig benutzt. Selbst Armbrüste und Armbrustbolzen haben hier oben nur eine begrenzte Wirksamkeit. Und was einen Überraschungsangriff in einem der Gebäude betrifft …« Shavel stand da und blickte grimmig drein. » Schwierig. Die Räume sind klein. Die Türen schmal. Wir könnten sie nie auf einen Schlag fertigmachen.« Er durchquerte den Raum und nickte dem Turmherrn zu. » Mein Mann ist auf der Stelle gestorben, mein Herr. Der Stoß der Dunkelmagie hat ihn quer durch den Raum geschleudert und ihm ein Loch in den Bauch gebrannt, das groß genug war, dass ich meine Faust hineinstecken konnte.«
» Und der Dunkelmagier?«
» Tot, durch einen Armbrustbolzen im Herzen, bevor er auch nur Zeit hatte, nachzudenken. Wir haben die Leiche entsorgt.«
Xetiana nickte nüchtern. » Also hattest du recht, Glut. Es sind Dunkelmagier unter uns.« Sie trommelte mit den Fingern verärgert auf die Armlehnen ihres Stuhls, als würde sie ihn für diesen feindlichen Einfall verantwortlich machen. » Also, wie trennen wir diese … Gräuel nun voneinander?«
» Man darf beim Pfeilerrennen kein Schwert mitnehmen«, sagte Glut langsam. » Und wenn man gewinnen will, läuft man so schnell, dass man sich voneinander entfernt, so dass sich eine langgezogene Reihe von Wettläufern bildet. Wieso bringen wir sie nicht dazu, am Rennen teilzunehmen?«
Mein Herz rutschte schlagartig noch etwas tiefer. Ich wusste nicht, was ein Pfeilerrennen war, aber ich hatte eine gute Vorstellung davon, dass es etwas war, das mir nicht gefallen würde.
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Erzähler: Kelwyn
Xetiana brachte uns in ihren persönlichen Gemächern unter, damit wir nicht Gefahr liefen, auf Flamme oder irgendeinen Dunkelmagier zu stoßen. Diese wohnten in den Gästequartieren, die einen eigenen Eingang hatten. Gluts Zimmer befand sich direkt neben dem von Dek und mir, und der bewachte Eingang zu Xetianas Gemächern lag gleich am anderen Ende des Korridors. Ich hatte noch nie ein Zimmer gesehen wie das, das Dek und ich für die Nacht erhielten.
Das gesamte Gebäude mochte aus Stein bestehen, aber davon war in unserem Raum nichts zu spüren. Die Wände waren mit gewebten Wollbehängen versehen, und auf dem Boden lagen dicke Wollteppiche.
» Was ist das für ein Zeug?«, fragte Dek und grub seine Zehen tief in die Fasern.
» Schafswolle«, sagte ich. So viel wusste ich, dank Garwin und den Geschichten, die er von seinen Reisen mitgebracht hatte. Ich wusste sogar, wie Schafe aussahen; ich hatte Holzschnitte und Stiche in Büchern gesehen. » Auf diesem Pfeiler hier befindet sich zwar nur eine Stadt, aber auf den anderen sind überwiegend Höfe, und die züchten Schafe. Tiere, die ein bisschen an Ziegen erinnern.«
» Ihr wisst zwar vielleicht keine nützlichen Dinge«, sagte Dek abschätzig, » aber allen möglichen anderen Kram, oder? Ihr seid nicht an so vielen Orten gewesen wie der Syr-Patriarch oder Glut, aber trotzdem wisst Ihr Bescheid. Wie kommt das?«
Da Deks Vorstellung von nützlichen Dingen vor allem Schwertkämpfe, das Befiedern eines Pfeils oder das Bewusstlos-schlagen eines Gegners mit den Fäusten umfasste, erschütterte mich dieser Teil seiner Einschätzung nicht allzu sehr. » Ich höre gut zu«, sagte ich. » Und ich lese viel.«
» Ich kann nicht gut lesen«, gestand er. » Oder schreiben. Meine Mam hat versucht, es mir beizubringen. Sie hat Buchstaben mit einem Stück Kohle auf die Dielen gemalt, bis mein Pa sie deshalb geschlagen hat. Danach hat sie es damit versucht, dass sie einen Finger in Wasser getaucht hat, wenn er nicht da war, also konnte er es nicht erfahren.
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