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Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Titel: Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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Morthred, der ohne Gewissensbisse, ohne Hemmungen auf seinem Weg zur Macht Schrecken verbreitet und gemordet hatte, der sich bewusst entschieden hatte, das zu sein, was er geworden war, litt unter Höhenangst. Paradoxerweise musste ich die Zähigkeit, mit der er sich weiter nach unten bewegte, beinahe bewundern; es erforderte Mut, einen solchen Abstieg zu wagen, wenn man unter Höhenangst litt.
    Ich sah hinter mich, fand meinen Dolch auf der Plattform und schnappte ihn mir, dann schwang ich mich selbst über den Rand der Klippe. Es gab vieles, das mir Angst machte, und auch Morthred gehörte dazu, aber Angst vor der Höhe stand nicht auf meiner Liste. Trotzdem fühlte sich die Ruhe, die ich empfand, beinahe unnatürlich an. Ich hatte entschieden, dass ich bei der Sache hier siegen oder sterben würde, und nachdem ich das akzeptiert hatte, verlor ich jede Angst vor dem Dunkelmeister. Ich kletterte rasch hinunter, benutzte die Seile und die Absätze und die Nestlöcher mit einer Sicherheit, die für jemanden, der gewöhnlich so unbeholfen war wie ich, nicht normal war. Ich achtete nicht auf die Vögel, auch wenn mich der Anblick einer Kreatur, deren Flügelspanne so weit war wie ich groß, und die nur wenige Zoll von meinem Kopf entfernt durch die Luft sauste, hätte beunruhigen sollen.
    Ich brauchte nicht lange, um Morthred einzuholen.
    Er hob den Kopf und sah mich. Da war nichts mehr von seinem Hochmut und seinem Charme, es gab nur noch seine Angst davor abzustürzen – und eine lodernde Wut, die sich nicht nur auf mich richtete, sondern auf die gesamte veränderte Situation. Er musste die Entschlossenheit in meinen Augen erkannt haben, aber es bereitete ihm Mühe, sie ernst zu nehmen. Er wusste bereits, dass ich nicht hart genug für einen echten Mörder war.
    Ich roch die Dunkelmagie, die er benutzte, aber ich wusste nicht, auf was sie gerichtet war, bis ich die Seile über meinem Kopf brennen sah. Fasern teilten sich, das Netz löste sich und riss. Ich packte die Felswand und zog mich auf einen schmalen Absatz über mir, der gerade auf gleicher Höhe mit seinem Scheitel war. Einige der größeren Jungvögel, die neben ihrem Nest standen, kreischten mir ihre berechtigte Empörung entgegen und würgten die übelriechenden Inhalte ihrer Mägen aus, um ihren Ärger zu zeigen.
    Ich blieb dort hocken, die Finger in den Felsspalten verkrallt. Morthred schleuderte Dunkelmagie auf die Felswand über mir, und Steine bröckelten herunter. Ich drückte mich flach an den Fels, um dem schlimmsten Teil des Steinhagels zu entgehen. Das meiste regnete auf ihn selbst herab. » Wer in einer Grashütte sitzt, sollte kein Feuer entfachen«, sagte ich zu ihm. Auch dort, wo er sich befand, verlor das Netzwerk bereits deutlich an Stabilität; Seile wurden schlaff, und jedes Mal, wenn er sich bewegte, schwang er von der Felswand weg und dann wieder zurück. Ich fragte mich, wie viel Zeit ich wohl hatte, bis er zu dem Schluss kam, dass er ohnehin sterben würde und mich genauso gut auch mit in den Tod reißen konnte.
    Er spuckte Gesteinsstaub aus. » Wer bist du?« Die Frage brannte in meinem Kopf. Das ist Nötigung, dachte ich. Aber statt zu einer Antwort gezwungen zu sein erheiterte mich seine Beharrlichkeit, während mich die Vorstellung verwirrte, dass es für ihn so wichtig war zu wissen, wer sein Peiniger war. Dass er die Bezwingung sogar jetzt noch probierte, obwohl er bereits wusste, dass ich dagegen gefeit war, verblüffte mich.
    Ich zog meinen Dolch heraus. » Niemand. Nichts weiter als ein ganz gewöhnlicher Mensch wie all die anderen aberhundert ganz gewöhnlichen Menschen, die Ihr im Laufe Eures miesen Lebens gequält und getötet habt, Morthred. Was mich von ihnen unterscheidet, is die Tatsache, dass ich derjenige sein werde, der Euch tötet.« Ich hörte nicht einmal genau auf meine eigenen Worte; meine Gedanken rasten auf der Suche nach einer Möglichkeit, wie ich ihn angreifen konnte. Wie ich die Sache am besten beenden konnte.
    » Ich kann dir alles geben, was du haben willst, Reichtümer, die selbst deine geheimsten Träume übersteigen …«
    » Ihr habt nichts, das ich würde haben wollen.«
    Er musste die Wahrheit in meinen Worten erkannt haben, denn in seinen Augen flackerte etwas auf: Unsicherheit. » Macht«, sagte er. » Du und ich, wir könnten weit kommen. Du bist ein Wissender, und ich beherrsche Magie.« Er hatte einen Arm durch eine Schlinge des Netzes geschoben. Mit der anderen Hand klammerte er sich an

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