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Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Titel: Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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Gethelred von Skodart, verzaubert worden waren.
    » Süße Himmel da droben«, flüsterte ich. » Was habe ich getan?«

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    Erzähler: Kelwyn
    Ein Erlebnis ist mir von meiner Rückkehr zum Zentrum der Oberstadt noch in Erinnerung geblieben. Etliche Menschen hatten sich an einer Stelle entlang des über die Dächer führenden Weges versammelt und starrten hinunter auf einen Absatz über einem Fenster. Ein kleines Mädchen hockte auf dem schmalen Steinsims. Sie war nackt und etwa drei Jahre alt, wie ich vermute, und weinte vor Angst. Eine Palastwache versuchte, die Hand nach ihr auszustrecken und sie in Sicherheit zu ziehen, aber sie hatte so große Angst vor dem Mann, dass sie auf die einzige Weise zu entkommen versuchte, die sie kannte: Sie breitete die Arme aus und stieß sich vom Fensterbrett ab …
    Ich ging geradewegs in mein Zimmer und holte meinen Medizinkoffer, dann fragte ich eine Zofe nach dem Weg zum nächsten Krankenhaus der Oberstadt.
    Was den Rest dieses Tages oder auch der folgenden Nacht angeht, so erinnere ich mich kaum noch an irgendetwas. Ein nicht abreißender Strom von Menschen tauchte auf, die meisten mit gebrochenen Knochen und inneren Verletzungen, und dabei gab es hier so wenig Ärzte und keine Silbbegabten mit Heilerfähigkeiten. Und so viele dieser Opfer waren noch so jung. Nach einer Weile verschwammen sie alle ineinander. Noch ein zermalmter Körper. Weitere gebrochene Glieder. Oder waren es die gleichen, immer und immer wieder? Ich wusste es nicht mehr.
    Als spät am nächsten Tag endlich keine neuen Patienten mehr gebracht wurden, ging ich weg und kehrte zum Haus des Turmherrn zurück. Beim Verlassen des Krankenhauses sah ich den Raum, in dem die Toten aufgestapelt wurden, um identifiziert zu werden. Die meisten von ihnen waren nackt.
    Ich erinnere mich, dass ich lange Zeit in meinem Zimmer im Dunkeln gesessen habe. Ich erinnere mich nicht, dass ich über irgendetwas besonders viel nachgedacht hätte. Die Wahrheit war zu groß, zu schrecklich, zu heftig, um sie anzunehmen, geschweige denn, sie in allen Einzelheiten zu bedenken. Also saß ich einfach nur da.
    Ich war mir vage bewusst, dass Dek hereinkam; er beklagte sich darüber, dass es nicht gerecht wäre: Alle anderen hätten einen aufregenden Tag gehabt, nur ihn hatte man gezwungen, an einer Brücke zu stehen, die niemand benutzt hatte, bis Thor zu ihm gekommen war und ihn aufgelesen hatte. Und selbst, als sie zur Aussichtsplattform zurückgekehrt waren, hatte es für ihn nichts Nützliches zu tun gegeben.
    Als er begriff, dass von mir keine Antwort kommen würde, ging er wieder weg.
    Ein paar Minuten später kam Sucher durch die offene Tür hereingetrottet. Er legte sein Kinn auf mein Knie und jaulte. Auch er war von den Geschehnissen am Tag zuvor ausgeschlossen worden, da die Dunkelmagie ihn hätte verändern können. Also hatte Glut ihn in ihrem Zimmer eingeschlossen. Als er ebenfalls keine Antwort bekam, ging auch er.
    Eine schreckliche Lethargie schien mich befallen zu haben, die es mühsam machte zu sprechen oder auch nur dem Hund den Kopf zu tätscheln.
    Danach kam Glut. Es überraschte mich nicht, sie zu sehen; irgendjemand – ich konnte mich nicht mehr erinnern, wer – hatte mir bereits erzählt, dass sie am Leben war. Eines der Boote hatte sie aus dem Ozean gefischt, zerschlagen, erschöpft, aber unverletzt. Sie schloss die Tür hinter sich, aber sie sagte nichts. Sie ging ins Badezimmer und drehte den Hahn auf, um die Wanne mit dampfend heißem Wasser zu füllen. Dann kam sie zurück, kniete sich neben meine Füße und schnürte meine Stiefel auf. Sie hatte immer noch kein einziges Wort gesagt. Ich war mir ihrer bewusst, aber auf eine vage, irgendwie weit entfernte Weise, als würde ich zusehen, wie all dies mit jemand anderem geschah, und darüber hinaus noch durch einen Nebel.
    Sie öffnete mein blutverschmiertes Hemd, und ich ließ es völlig teilnahmslos geschehen. Ein Teil von mir war sich all des Blutes bewusst und des schrecklichen Geruchs, aber es war, als könnte ich mich nicht aus eigenem Willen bewegen. Sie zog mich auf die Beine, damit ich stand, immer noch, ohne Widerstand zu leisten. Sie ließ meine Hose und meine Unterkleidung auf den Boden rutschen und bugsierte mich ins Bad. Es war ein Hinweis auf meine Verwirrung, dass mir nichts davon peinlich war. Ich spürte gar nichts.
    Ich vermute, dass sie mich gewaschen hat, aber ich erinnere mich nicht daran. Sie hat mir womöglich danach auch geholfen, mich

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