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Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Titel: Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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Spitze nach unten. Ich hätte sie eigentlich bei diesem Wind unmöglich riechen können, und doch spürte ich irgendwie, wie ihre Erschöpfung in Entsetzen umschlug. Den Bruchteil einer Sekunde später erzitterte der benachbarte Pfeiler – die Flosse –, als wäre er von einer gigantischen Welle getroffen worden. An der Seite, die dem Krümel zugewandt war, schien sich der Fels am Grund in Staub aufzulösen und das Gestein darüber zu unterhöhlen. Einige Wettkampfteilnehmer auf den Weiden oben stürzten, als der Boden unter ihren Füßen zu beben begann.
    Glut sah jetzt zur Flosse hin. Und der Pfeiler begann sich zu neigen. Langsam und unausweichlich bewegte sich die Flosse auf den Krümel zu. Glut ließ ihr Schwert fallen und riss ihr Schwertgehenk ab. Dann sprang sie weg, floh mit riesigen Schritten über die Felsbrocken des Krümels zum Ozean hinunter. Sie lief waghalsig, segelte mehr durch die Luft, als dass sie von einem Felsblock zum anderen sprang, und landete hart, aber immer noch aufrecht. Mir blieb schier das Herz stehen, als ich ihr zusah. Ich rechnete damit, dass sie stürzte, sich beim Landen ein Bein brach, ausrutschte und in eine der unzähligen Risse und Spalten fiel, die diesen Pfeiler durchzogen. Die Vorstellung, aus solcher Höhe ins Wasser zu fallen …
    Ich war so über alle Maßen entsetzt, dass ich nur zusehen konnte, wie der gesamte Pfeiler der Flosse sich seitwärts gegen den Krümel neigte – wie ein alter Baum im Wald, der seine Wurzeln verloren hatte. Vögel stiegen von den Klippen in schwarzweißen Mustern der Wut auf, schrien unaufhörlich, während sie von den wilden Luftströmungen herumgewirbelt wurden. Als die Spitze der Flosse sich neigte, sah es einen absurden Augenblick lang so aus, als würde ein Bauernhaus vollständig mit Obstgarten und Außengebäuden in der Luft hängen, wie eine geisterhafte Schöpfung aus den Wolken aus Gesteinsstaub, die es umgaben. Eine Schafherde rollte taumelnd über die Weide, wie Murmeln auf einem Hang, und schoss in den freien Raum hinaus. Ihr Sturz hinunter ins Wasser schien endlos lange zu dauern. Ich konnte auch Leute sehen, die sich verzweifelt an das Gras klammerten, als könnten sie sich dadurch retten, dass sie sich an etwas festhielten, das längst keine feste Grundlage mehr hatte. Der Gipfel der Flosse schlug gegen die Kante des Krümels, und die Stücke begannen, nach unten zu rollen, mit unnachgiebiger, beängstigender Geschwindigkeit hinter Glut her. Die Menschen auf der Flosse verschwanden unerbittlich in einer Wolke aus Staub und Gischt, als der Rest des Pfeilers in den Ozean krachte oder gegen den nördlichen Felsrand des Krümels stieß. Große Brocken knüppelten kurzlebige Krater ins Meer. Wasserfontänen stiegen auf und fielen in etlichen Lagen wieder in sich zusammen. Der Ozean hob sich, und anschwellende Wellen und tiefe Gräben wanderten von der Mitte nach außen, zerstreuten oder versenkten die Boote.
    Zu meinen Füßen befand sich Morthred; er stöhnte und rührte sich. Dunkelmagie entwich ihm in ziellosen Strömen aus Boshaftigkeit. Der Gestank war so schlimm, dass mir das Atmen schwerfiel. Ich rollte ihn auf den Rücken und fand meinen Dolch. Als ich mich herabbeugte, um ihn zu töten, öffnete er die Augen und starrte geradewegs in meine. Ich zögerte, war einen Moment unfähig, einen Menschen zu töten, der meinem Blick begegnete. » Wer bist du?«, fragte er. Er hatte mich noch nie zuvor in seinem Leben gesehen; er hatte vermutlich überhaupt noch nie einen Menschen von der Himmelsebene gesehen, und jetzt war er aufrichtig verwirrt.
    Eine Woge von Dunkelmagie – diesmal gezielter Dunkelmagie – schlug mir mit ihrem Gestank ins Gesicht. Ich spürte sie vorüberwallen, dankbar dafür, dass der Wind den übelkeiterregenden Gestank wegpeitschte. Seine Augen zogen sich vor Ärger über meine ausbleibende Reaktion zusammen, und dann schoss er vom Boden hoch und sprang mit überraschender Kraft und Energie auf mich zu. Ich versuchte, mich zur Seite zu werfen, und verlor dabei meinen Dolch. Seine Hände krampften sich um meine Kehle.
    » Du dreckige Missgeburt eines Wissenden! Dafür werde ich dich töten!«, zischte er und schüttelte mich. Er war stark, stärker, als ich erwartet hatte, und ich war nicht mehr an einem Kampf beteiligt gewesen, seit Jaim und ich als Jungen auf den Hängen der Himmelsebene raue Spiele miteinander gespielt hatten. Ich verhakte einen Fuß hinter seinem Knie und stürzte mich mit meinem ganzen

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