Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
hübschen dunklen Augen blickten mich unter den zarten Wimpern eines Kindes hindurch an, ihr Mund war klein und rosafarben, ihre Wangen noch kindlich und pausbäckig. Als ich näher kam, schien die Luft dicker zu werden, und es wurde beinahe unmöglich zu atmen. Ich war mir nicht sicher, wie lange ich den Gestank aushalten konnte.
Ich sah Maryn an und zog fragend eine Braue in die Höhe. Ich traute mich nicht zu sprechen; Schmerz und Übelkeit erfassten mich in Wogen, stieg an und brach an meinem Körper, nicht länger zählbar.
» Ich habe so etwas noch nie gesehen«, sagte sie leise. In ihrer tiefen Stimme und ihrem Geruch schwang Besorgnis mit. » Ich weiß nicht, was es ist.« Sie nahm die Laken zurück. Ginna zuckte, aber es war nicht der Schmerz oder die Krankheit, weshalb sie sich herumwarf. Es war Wut. Ich konnte es riechen, eine finstere Wolke aus Hass und schrecklichem Ärger.
Maryn legte den Unterkörper des Mädchens frei, und ich tastete über ihren Bauch. Ich zog meine Hand hastig wieder zurück. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich versengt worden, aber nicht von der Hitze ihres Körpers, sondern von etwas anderem. » Seit wie vielen Wochen is sie bereits schwanger?«, fragte ich.
» Seit etwa achtzehn. Das Kind ist schnell gewachsen.«
Garwin hatte mich davor gewarnt, ein Kind in diesem fortgeschrittenen Zustand abzutreiben, da er es für zu gefährlich für die Mutter hielt. Also brauchte ich zumindest diese eine Entscheidung nicht zu fällen.
Ich musste hier raus. Der Geruch des Schmerzes war erstickend. Ich wollte nicht länger dort bleiben und den Beschimpfungen lauschen, die von den Lippen des Mädchens kamen. Ich riss meinen Kopf herum und bedeutete den anderen, das Zimmer zu verlassen.
Als wir wieder in der Wohnküche des Hauses waren, sahen die Tante des Mädchens und der Onkel mich besorgt an. Ich musste meine Hände auf eine Stuhllehne legen, um aufrecht stehen bleiben zu können. » Was passiert, wenn man sie losbindet?«, fragte ich. Da war Blut in meinem Mund; der Ansturm auf meine Sinne musste mich irgendwie dazu gebracht haben, mir auf die Zunge zu beißen.
Sie wechselten verstohlene Blicke. » Sie versucht wegzulaufen«, sagte Keothie schließlich. » Sie sagt, sie will zu dem Mann zurückgehen, der ihr das angetan hat. Es ist … unheimlich. Zuerst war sie so froh, dass sie von ihm weggekommen ist. Tatsächlich ist sie nur knapp mit dem Leben davongekommen, nachdem sie mehrere Tage lang missbraucht wurde und gefangen gehalten worden war. Sie zitterte schon, wenn sie nur darüber erzählt hat. Jetzt tut sie so, als wäre der Mann, der das getan hat, derjenige, den sie liebt, auch wenn sie dieses Wort nie benutzt. Es ergibt einfach keinen Sinn.«
Es ergab auch für mich keinen Sinn, aber mir fiel in diesem Moment all das ein, was Glut über die Umwandlung durch Dunkelmagie gesagt hatte. » Is sie eine Silbbegabte?«
Wieder wechselten sie einen Blick. » Wir sind gute, gottesfürchtige Leute«, sagte Keothie. » Wir halten nichts von Magie. Die Menoden glauben nicht, dass es gottgewollt ist, wenn man solche Macht hat, und wir sind Menoden.«
» Und doch scheint es, als wären die Silbbegabten gute Heiler.«
» Ja, ich vermute, das stimmt.«
» Also, is sie eine Silbbegabte?«
Seine Frau antwortete jetzt. Sie wischte sich die schweißnassen Hände an der Schürze ab. » Leider gibt es ein gewisses Maß an Silbbegabung in meiner Familie, Syr Gilfeder. Wir fördern das nicht. Als ihre Familie gesehen hat, dass sie Illusionen wirken kann, wurde Ginna beigebracht, dass sie so etwas nicht tun darf. Sie wurde darin unterrichtet, ihre Magie zu unterdrücken, und hat dies bereitwillig getan. Sie ist ein gehorsames, frommes Kind. Oder war es zumindest.«
» Wo hat sie gelebt?«
» Sag es ihm ruhig«, sagte Keothies Frau zu ihrem Mann. » Wenn er es wissen muss, um ihr helfen zu können, sag es ihm.« Sie sah mich direkt an. » Ich würde alles für das Kind meiner Schwester tun, Syr-Doktor. Sie war ein so liebes Kind, bevor all das passiert ist.«
» Ihr Vater ist ein Mattenmacher«, sagte Keothie. » Er sammelt die Pandana, die beim Treibsee wachsen, dann nimmt er Streifen von den Blättern, färbt sie und macht Matten daraus.« Er deutete auf die, auf der wir standen. » Solche wie die hier. Als er Ginna zu uns gebracht hat, sagte er, dass da neue Leute auf einer Insel im See leben würden. Er sagte, dass einer von denen für all das verantwortlich ist. Er sagte, es wären auch
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