Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
Kompromiss eingegangen: Zwar gab es keinen Ochsenwagen, aber sie hatte einen Esel gemietet oder gekauft, der all ihre Habseligkeiten und Vorräte trug. Flamme musste sich bei ihr entschuldigt haben, denn die Atmosphäre wirkte herzlich, als sie abreisten. Ich sah sie die Straße ins Landesinnere entlanggehen und fühlte mich beraubt, was eigenartig war. Sie hatten mir so viele Probleme bereitet, und trotzdem konnte ich nur daran denken, dass ich sie vermissen würde: Flamme mit ihrem freundlichen Herzen und ihrem Mut und ihrer Schönheit; Glut mit ihrem selbstironischen Humor, ihrer Ehrlichkeit und ihrer Zuversicht; Ruarth mit seiner unendlichen Geduld und einer Weisheit, die weit größer war, als man von einem Vogel hätte erwarten dürfen; Dek mit seinem leuchtenden Hang zum Romantischen, mit dem er seine schreckliche Kindheit verwandelte. Mit einem plötzlichen Stich begriff ich, dass sie Freunde geworden waren. Jastriá war bis dahin mein einziger Freund gewesen, und ich hatte den Fehler begangen, sie zu heiraten. Abgesehen davon war sie ohnehin weg.
Ich ging in den Orchideengarten, setzte mich auf die Bank und bestellte ein Bier. Eine Stimme flüsterte in meinem Kopf: Wenn du auf diese Weise fühlst, hast du sicherlich nich das Recht, sie ohne dich ziehen zu lassen … Sie hätten mehr Chancen, wenn du bei ihnen wärst. Du wirst sie vermissen, sagte die Stimme. Folge ihnen, du Narr. Folge ihr.
Ich trank das eine Bier und dann noch eines. Eine weinerliche Stimmung überfiel mich.
Bevor ich mich ganz in mein Selbstmitleid ergeben konnte, wurde ich glücklicherweise zur Köchin gerufen, um eine Wunde zu nähen. Sie hatte es geschafft, sich die Fingerspitze abzuschneiden.
Danach ging die Nachricht herum, dass ich Arzt wäre, und es gab jeden Tag einen kleinen Strom von Patienten, die mich sehen wollten. Ich musste ein paar Streifzüge in den Wald am Stadtrand unternehmen und weitere Kräuter sammeln, Pilze und medizinische Pflanzen, die meinen schwindenden Vorrat ersetzen sollten. Ich besuchte Anistie beinahe jeden Tag, trank unzählige Becher ihrer heißen Schokolade und aß mich durch eine Vielzahl verschiedener selbstgebackener Kuchen, während ich Garwins Schriftensammlung untersuchte. Ich fühlte mich wohl in Anisties Gesellschaft. Ihr Aroma verströmte Frieden und Zufriedenheit, ein Geruch, der mich an frische Äpfel und Sommerbrisen erinnerte. Irgendwann erzählte ich ihr die Geschichte meiner Verbannung und dass Glut und Flamme gewollt hatten, dass ich sie zum Treibsee begleitete. Obwohl sie nichts davon beurteilte, konnte ich ihr nichts von Jastriá erzählen und davon, was ich getan hatte. Diese Angelegenheit war immer noch zu frisch, um sie jemandem mitzuteilen.
Ich fing an zu glauben, dass ich in der Lage sein würde, die restliche, mir verbliebene Wartezeit sinnvoll zu füllen, und dabei ein bisschen Geld zu verdienen, solange nicht eines Tages die Wachen von Mekaté auf der Türschwelle standen. Aber immer wieder wanderte ich zum Tor und sah die Straße entlang, die sie genommen hatten, fragte mich dabei, ob ich das richtige getan hatte oder einfach nur das, was ich für angebracht hielt, weil ich nicht wieder verletzt werden wollte.
Als das nächste Postschiff von Lekenbraig anlegte, flogen die Dunstigen hin und ließen mich wissen, dass niemand mit einer Nachricht für die Amkabraig-Wachen an Bord gewesen zu sein schien und dass auch keine Fellih-Gläubigen an Land gegangen waren. Tatsächlich wurde im Hafen am meisten über die Ankunft einiger Wahrer-Schiffe geredet. Offenbar war nach einem fehlenden Schiff der Wahrer gesucht worden, und es gab einiges diplomatische Hin und Her, als das Schiff ausgebrannt an einem Strand von Porth gefunden worden war. Es war natürlich die Freiheit der Wahrer, jenes Schiff, das Morthred in Gorthen-Nehrung gestohlen hatte, als er aus Kredo entkommen war.
Nachdem ich mit den Dunstigen gesprochen hatte, atmete ich erleichtert auf, weil ich – zumindest auf Porth – nicht gejagt wurde, und blieb weiter in der Schenke wohnen.
Während die Tage vergingen, las ich in Garwins Schriften und stellte fest, dass sie mich immer mehr faszinierten. Die Schöpfung mag wissen, woher er sie hatte; Anistie zufolge waren sie das Ergebnis jahrelanger Besuche. Offenbar bestand die Beziehung zwischen ihr und Garwin schon seit langem. Ganz eindeutig wurde ihre Stimme weicher, wenn sie von ihm sprach, und trotzdem machte sie sich keine Illusionen über ihn. » Er ist wie ein
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