Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
ansah, fügte er hinzu: » Sie ist in heiklen Umständen.«
Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was er meinte. Wir in der Himmelsebene glauben nicht, dass man die Schwangerschaft mit beschönigenden Worten umschreiben muss. Mein Herz sackte ein Stück nach unten. Ich wusste zwar, wie ein Abbruch durchgeführt wurde, aber so etwas gab es in der Himmelsebene nicht. Es wurde als Mord angesehen. Garwin war es gewesen, der mir die verschiedenen Möglichkeiten aufgezeigt hatte, wie man so etwas machen konnte; er glaubte, dass es unter Umständen ein Segen für alle war, wenn man eine Frau von einer unerwünschten Schwangerschaft befreite. Allerdings glaube ich nicht, dass er so etwas jemals auf dem Dach von Mekaté durchgeführt hat. » Hör gut zu«, hatte er damals zu mir gesagt, » und lerne. Du weißt nicht, wann du dieses Wissen einmal gebrauchen kannst, Junge.« Meine eigenen Gedanken bezüglich dieser Sache blieben unentschieden. Ich hätte es vorgezogen, wenn meine moralische Einstellung dazu nie einer Prüfung unterzogen worden wäre. Tatsächlich hätte ich nicht gedacht, dass es jemals geschehen würde; es waren immerhin die Frauen unseres Hauses, die sich mit Schwangerschaften und Geburten beschäftigten.
Einen flüchtigen, feigen Augenblick lang wollte ich einfach nur zurück nach Hause gehen. Zurückkehren nach Wyn und irgendwie wieder dort leben, so wie ich es bisher getan hatte … an einem Ort, wo das Leben einem nicht ständig schwere Entscheidungen abverlangte.
» Aber es geht um mehr, müsst Ihr wissen«, sprach Keothie weiter. » Als sie damals zu uns kam, war sie sehr still und hat viel geweint. Maryn ist mehrmals zu ihr gekommen und hat sich um sie gekümmert. Wir dachten, sie würde sich erholen, aber seit kurzem hat sie sich verändert. Sie war schon immer still, ein Mädchen mit guten Manieren, freundlich und pflichtbewusst. Aber jetzt – jetzt erkenne ich sie kaum wieder. Ihr werdet es sehen.« Er weigerte sich, mehr zu sagen, sondern ging einfach weiter.
Ich wusste, dass ich in Schwierigkeiten steckte, kaum dass wir seinen Hof erreicht hatten. Ich roch Falschheit. Dunkelmagie, wenn Glut recht hatte. Sie sickerte mit jedem Atemzug in mich ein, überflutete meinen Körper mit Schmerzen. Ich wollte mich umdrehen und in die entgegengesetzte Richtung davonlaufen.
» Was ist los?«, fragte Keothie, als ich anfing, nach Luft zu schnappen.
» Eine Allergie«, log ich. » Kein Grund zur Sorge.« Ich blieb einen Moment stehen und versuchte, mit meinen Gefühlen klarzukommen. Ich konnte nicht zulassen, dass diese Falschheit mich überschwemmte. Es musste eine Möglichkeit geben, damit fertig zu werden, die Kontrolle zu behalten und den Schmerz zu beherrschen. Ich beruhigte meine Atemzüge, zwang mich zu einem gleichmäßigen, ruhigen Rhythmus. » Geht weiter.«
Je weiter wir gingen, desto stärker wurde der Geruch, bis wir vor einem kleinen Haus stehen blieben, das sich neben einem größeren Gebäude befand. Aus diesem Bau drang der Geruch nach Holzkohle und Pottasche und anderen Dingen, die ich nicht einordnen konnte. Ich ließ ihn einen Moment am Haus warten, während ich mich zusammenriss und meinen Geruchssinn benutzte, um mich auf das vorzubereiten, was uns im Innern des Hauses erwartete. Es gab keinen Zweifel: Was immer der üble Geruch auch genau war, er kam aus dem Haus.
Ich gestattete mir im Stillen eine kurze ironische Bemerkung: Ich, der ich vor Glut und Flamme jeden Gedanken an Dunkelmagie verworfen hatte, stand ihr jetzt selbst gegenüber. » Gehen wir hinein«, sagte ich und wappnete mich gegen den Schmerz, der bereits meine Gelenke erfasste und meine Nase brennen ließ.
Keothie stellte mich seiner Frau vor, einer beleibten Frau mit einem riesigen, von einer Schürze verborgenen Busen und fülligen Hüften. Sie führte uns nach oben; gewebte Matten aus lebhaften Streifen in raffinierten Mustern bedeckten dort den Boden, ähnlich wie in der Schenke. Das Bett im Krankenzimmer befand sich in der Mitte der Matten; Ginna lag darauf, die Hände und Knöchel an den vier Bettpfosten festgebunden. Als wir uns dem Bett näherten, fauchte sie und stieß eine Reihe von Obszönitäten aus, die umso schlimmer wirkten, da die Worte kindlich klangen. Sie war mit den Flüchen der Erwachsenen oder der städtischen Elendsviertel nicht vertraut; das Beste, was sie zustande brachte, waren Worte, die sich auf Körperfunktionen bezogen. Es war erbärmlich und herzzerreißend zugleich.
Ihre
Weitere Kostenlose Bücher