Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
in alle Richtungen, und einmal schaffte ich es sogar, mich in einer der Hängematten zu verheddern, die überall im Raum aufgehängt waren.
Kayed schüttelte verzweifelt den Kopf und erledigte das Zumachen der Kleidung für mich. » Du bist erbärmlich, weißt du das?«, knurrte er. Er musterte mich von oben bis unten. » Du siehst aus wie eine Kaulquappe. Und du bewegst dich genauso ruckartig wie ein Wasserläufer.«
Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte. Erst später fand ich es heraus, als ich mich in einem Spiegel betrachtete. Ich hatte zwar den Körper eines Menschen, aber er zeigte die Einflüsse des Vogellebens, das ich bisher geführt hatte. Die Muskeln meines Oberkörpers und meines Gesäßes waren gut entwickelt und frei von überflüssigem Fett. Mein Nacken war dick und kurz, der Kopf kahl– später wuchsen mir Haare, aber in diesem Moment glänzte mein Schädel noch und war so gut wie haarlos. Meine Haut wirkte, als hätte sie nie einen Sonnenstrahl abbekommen: Sie war so unansehnlich fahl wie der Unterbauch eines Fischs. Das eigentliche Problem stellten allerdings meine Beine und Oberschenkel dar. Die Beine waren schwache, unterentwickelte Gebilde, die quälend und erbärmlich dünn und völlig ungeeignet waren, mein Gewicht anständig zu tragen. Kayed hatte recht, ich sah tatsächlich aus wie eine Kaulquappe: Alles war irgendwie oben und versiegte nach unten hin zu nichts. Darüberhinaus fehlte mir jegliches Gleichgewichtsgefühl. Die Knochen von Vögeln sind leicht und wiegen fast nichts. Wenn sie fliegen, tun sie das mit der gleichen Leichtigkeit, mit der ein Korken auf dem Wasser tanzt. Und jetzt plötzlich fand ich mich als schweres, an das Land gebundenes Ungeheuer wieder. Es war mir unmöglich, meine Gliedmaßen geschmeidig zu bewegen; ich bewegte mich vielmehr ruckartig, und meine Arme und Beine schienen oft außerhalb meiner Kontrolle zu sein. Ich schätzte falsch ein, wie viel Platz ich benötigte, und stieß daher ständig gegen etwas. Nicht einmal durch eine Tür konnte ich gehen, ohne mich am Türknauf zu stoßen.
Ein Wasserläufer, der ruckartig über die Wasseroberfläche schießt.
Allerdings hatte ich in diesem Augenblick nicht die Zeit, über diese Dinge nachzudenken. Ich musste mich irgendwie mit diesem Mann unterhalten. Ich musste ihm sagen, dass ich vielleicht zu Flamme durchdringen könnte, wenn sie erst wusste, dass ich ein Mensch war. Morthred war tot. Möglicherweise änderte sich damit alles… Ein Teil von mir war sich da nicht so sicher, aber ich musste es versuchen.
Ich machte die Geste des Schreibens.
Er musterte mich zweifelnd. » Du kannst schreiben?«
Ich nickte.
» Nun, hier habe ich weder Feder noch Papier. Das alles ist in meinem Quartier, und ich werde mein Leben dafür nicht aufs Spiel setzen. Ich bin jetzt nichts weiter als ein Sklave auf meinem eigenen Schiff, nicht mehr und nicht weniger. Es spielt keine Rolle, dass Gethelred tot ist; diese drei Miststücke haben mich verzaubert. Diese bodenkriechenden Schlammwürmer! Mögen sie in ihrem eigenen Misthaufen ersaufen.« Die letzten Worte spuckte er aus, als könnte er sie dadurch wahr werden lassen. Er nahm einen Becher von einem der Haken an der Wand und füllte ihn mit Wasser aus dem Trinkfass, das in einer Ecke des Raumes stand. » Hier, schreib mit einem nassen Finger auf den Planken da«, sagte er und deutete auf den Boden. » Wie heißt du?«
Ich ging in die Hocke und tauchte meinen Finger in das Wasser. Als Jungvogel hatte ich in der Burg von Cirkase schreiben gelernt, mit Kreide, die ich in meinen Klauen gehalten hatte. Jetzt war es ungleich schwerer. Meine Hand weigerte sich, mitzuarbeiten, und fast vergoss ich das Wasser. Schließlich gelang es mir, » Ruarth« zu buchstabieren. Und dann, etwas unbeholfen daneben: » Wissend.« Ich deutete mit etwas auf meine Brust, das eine Flügelspitze hätte sein sollen, aber jetzt ein Finger war. Das alles würde einige Übung erfordern.
Sein Blick war durchdringend. » Du bist ein Wissender?« In dem Lächeln, das er mir zuwarf, lag zu viel selbstgefälliges Vergnügen, als dass ich es hätte als beruhigend empfinden können. » Oh, Kaulquappe, mein Freund, das sind die besten Neuigkeiten, die ich gehört habe, seit dieser Alptraum angefangen hat. Vielleicht kommen wir doch noch heil hier raus.«
Ich schüttelte genervt den Kopf. » Geh zu Lyssal. Freund.«
Er seufzte verzweifelt. » Vergiss es, Kaulquappe. Sie ist jetzt niemandes Freund mehr. Sie
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