Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
alles zustande bringen konnte. Seither hatte ich erlebt, wie Menschen mit Illusionen umgingen, als wären sie die Wirklichkeit. Ich hatte gesehen, wie die Dunkelmagie Leute tötete, und ich hatte zugesehen, wie Thor selbst von einer Verletzung geheilt worden war, die ihn hätte töten müssen. Und dann hatte ich erlebt, wie Vögel sich in Menschen verwandelt hatten. » Ich bin mir nich mehr so sicher. Aber das alles is sowieso nur der eine Teil des Problems. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass es eine Krankheit is– was lässt Euch glauben, dass ich daran etwas ändern kann? Wenn es so leicht wäre, Krankheiten zu heilen, hätten wir Ärzte von der Himmelsebene längst die Ruhmesinseln von jeder Krankheit befreien können, die uns jemals geplagt hat. Was im Namen aller Inseln bringt Euch dazu zu glauben, ich könnte herausfinden, was die Dunkelmagie is– und dann auch noch ein Heilmittel dagegen finden?«
» Wenn es überhaupt irgendwer kann, dann Ihr.«
» Ihr wollt nich nur die Umgewandelten heilen«, sagte ich. » Ihr wollt die Welt von der Magie an sich befreien. Gehen wir also einmal davon aus, dass ich wirklich ein Mittel finde. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie wir zu den Silbbegabten der Wahrer-Inseln kommen, mit einem Kräutermittel vor ihren Nasen herumfuchteln und sagen: › Hier, trinkt das– dann seid Ihr Eure Silbmagie los ‹ ? Ich bin sicher, die wären hellauf begeistert! Die Wahrheit is, Reyder, dass die Silbbegabten sehr gerne Silben sind. Und die Dunkelmeister sich darin gefallen, Dunkelmeister zu sein. Niemand will ein Mittel finden– abgesehen von Euch.«
Er begegnete meinem Blick und hielt ihn fest, gestützt durch die geballte Kraft seiner Persönlichkeit. » Und Euch«, sagte er leise. » Und Euch, Kelwyn Gilfeder.«
Wieso konnte er mich nur so leicht durchschauen? Es war beschämend. Der Wind peitschte um uns herum, und ich musste mit meinem Tagaird kämpfen, um ihn davon abzuhalten, sich zu lösen und in Richtung Klippenrand zu verschwinden. Ich wusste, dass meine Haare so wild wirken mussten wie ein Buschfeuer. Reyder stand da und musterte mich; sein schwarzes Patriarchengewand schlug lediglich am Saum leicht gegen seine Füße, und die Haare, zurückgekämmt und im Nacken zusammengebunden, blieben ordentlich. Verfluchter Mann. Woher kannte er die Dämonen, die mich heimsuchten? Alle diese Blicke in die Hölle… Ginna, das Mädchen in Amkabraig, das von Dunkelmagiern vergewaltigt und durch das Kind vergiftet worden war, das sie als Folge davon in sich trug; Flamme: schön und freundlich und von innen her verfallend; die Dunstigen, wie sie vom Himmel fielen. Die verletzten Augen von Kindern, die als Vögel auf diese Welt gekommen waren.
Ich wandte den Blick von ihm ab. Ja, ich wollte die Welt von der Magie befreien. Ich wollte sie von jeder einzelnen Insel wegbrennen, sie aus dem Gedächtnis löschen. Und darin lag eine schreckliche Ironie, für jeden Arzt. Denn Silbbegabte besaßen die Macht, Krankheiten zu heilen, Leute von der Schwelle des Todes zurückzuholen. Sie konnten tun, wovon ein Arzt der Himmelsebene nur träumen konnte…
» Kommt mit mir, Kelwyn«, sagte er. » Ich habe alles mit Kapitän Scurrey besprochen. Wir werden in Amkabraig Halt machen, um die Medizinkiste mitzunehmen, die Euer Onkel Garwin dorthin schicken wollte. Vielleicht könnt Ihr Garwin sogar einen Brief schicken und ihn fragen, ob er nicht auch nach Tenkor kommen will, um uns zu helfen. Möglicherweise mit einem Teil der Aufzeichnungen der Himmelsebene über Medizin. Dies könnte die Aufgabe leichter machen. Befreien wir die Welt schon von der bloßen Möglichkeit eines neuen Morthreds. Ihr wisst, dass Ihr das genauso wollt wie ich.«
» Und wenn schon?«, fragte ich. » Es wird nich passieren. In meinem ganzen Leben nich. Oder Eurem.«
» Doch, das wird es«, sagte er voller Zuversicht.
Ich runzelte die Stirn. » Ihr seid mir bisher nich wie ein Trottel vorgekommen, der Butter statt Hirn im Kopf hat, Thor Reyder. Aber das hier is dumm.«
» Es gibt etwas, das Ihr nicht in Betracht gezogen habt«, sagte er.
» Und das wäre?«
Er hielt inne und schüttelte den Kopf. » Vertraut mir einfach, dass da noch etwas ist, das Ihr nicht wisst. Ich… ich kann es Euch jetzt nicht erklären, zumindest nicht auf eine Weise, die für Euch einen Sinn ergeben würde. Sagen wir einfach nur, es gibt ein Mittel. Ich weiß es, so sicher, wie ich weiß, dass Ihr es sein werdet, der es findet.«
Ich starrte ihn
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