Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
zumindest nicht so richtig. Ich hatte verstanden, dass es eine Flutwelle geben würde und ich mich beeilen musste, aber ich hatte keinerlei Vorstellung von dem, was bevorstand. In diesem Moment war ich sehr viel mehr mit der Frage beschäftigt, wie ich von diesem Schiff herunterkommen sollte, ohne bemerkt zu werden. Die Wache schrie inzwischen wieder, aber glücklicherweise waren der Regen und die Wellen und die knarrenden Planken so laut, dass das Geschrei kaum zu hören war.
Ich fragte die Ghemfe, wie wir am besten von hier wegkämen.
» Durch die hier«, sagte einer von ihnen und deutete auf die Luken, die sich am Schiffsrumpf entlangzogen. Wie ich sah, handelte es sich um die Öffnungen, in die sie die Kanonen schoben, wenn sie sie abfeuerten. Die Ghemfe öffnete die, die uns am nächsten war, und ich warf einen Blick hindurch aufs Ufer. Wir näherten uns den Docks, die aber immer noch etwa dreihundert Schritt entfernt waren. Eine ganze Reihe von Schiffen des Wahrer-Rates hatten dort festgemacht, mehr, als ich je zuvor in der Nabe gesehen hatte. Wir befanden uns am östlichen Ende des Hafens, in der Nähe der Gießereien und Schiffswerften.
» Jemand könnte uns sehen«, sagte ich. » Wenn nicht vom Schiff aus, dann vielleicht vom Ufer aus… wir brauchen eine Ablenkung.« Ich sah mich rasch um. Ganz in der Nähe des Niedergangs hingen eine Laterne und ein Feuersteinanzünder. Ich häufte ein paar schmutzige Baumwollbäusche aus einer Büchse bei den Kanonen auf, schüttete etwas Laternenöl darüber und schlug mit dem Anzünder ein paar Funken. So einfach war das.
Ich hatte nicht vorgehabt, das Schiff vollkommen niederzubrennen. Ich dachte, jemand würde kommen und das Feuer bemerken, ehe es sich zu weit ausbreiten konnte. Davon mal ganz abgesehen waren die Decks patschnass vom ständigen Regen– kaum die richtigen Bedingungen, um ein Schiff zu verbrennen. Ich hatte nicht viel Ahnung von Schwarzpulver, wisst Ihr. Ich habe mir auch nicht groß die Zeit genommen, darüber nachzudenken, was sich in den Fässern befand, die hinter den Kanonen standen. Ich legte noch ein paar weitere Baumwollbäusche nach, um mehr Rauch zu erzeugen, und dann quetschten wir uns durch die Luken und stürzten uns ins Meer.
Es war ein Schock, als ich erkannte, wie aufgewühlt das Wasser war; die Wellen im Nabenbecken waren beachtlich. Aber es war zu spät, um umzukehren. Ich gab meinen Plan auf, an eine Stelle zu schwimmen, die weniger bevölkert war, um dort aus dem Wasser zu steigen. Denn sobald ich ins Wasser kam, war mir sofort klar, dass ich so schnell wie möglich auf kürzestem Wege ans Ufer musste. Das Wasser war kalt und rau. Wenn ich zu lange drinblieb, würde ich sterben.
Die Ghemfe schwammen neben mir her und drängten mich weiter, zogen mich mit sich, bis wir irgendwelche zum Kai hochführende Stufen erreichten. Ich krabbelte auf die Steinstufen und weiter aus dem Wasser, dann drehte ich mich um, um mich zu bedanken. Sie waren nicht mehr da. Ich wollte mich schon abwenden, als ich sie plötzlich in der Bucht hochspringen sah. Sie schraubten sich in perfektem Einklang in die Höhe, während Wassertropfen wie Perlenketten an ihnen hinunterrannen. Als sie hoch genug waren, um sich von der Oberfläche zu lösen, warfen sie sich wieder nach hinten, schlugen durch die Wucht ihres Aufpralls Löcher ins Wasser. Dann versanken sie in den Wellen und verschwanden.
» Wir möchten für Euch einen Bruch riskieren«, hatte Aylsas Schalenschwester einmal zu mir gesagt. Ich hatte sie nicht verstanden. Ich hatte gedacht, sie hätte sich auf den Moment damals bezogen, und darauf, dass sie mir helfen wollte. Aber jetzt wusste ich, dass sie etwas anderes gemeint hatte. Einen Bruch riskieren, offen sichtbar mir zu Ehren aus dem Wasser zu springen, wie es Wale und Delfine taten.
Ich holte tief Luft und widmete mich wieder meiner misslichen Lage. Tatsächlich war ich nämlich alles andere als frei. Ich befand mich mitten im Herzen der Wahrer-Inseln; ich konnte sogar die Silbmagie um mich herum riechen. Das Einzige, was mich schützte, war der unablässig fallende Regen und die Tatsache, dass die meisten Menschen zu beschäftigt waren, um mitzubekommen, was um sie herum vor sich ging. Ich stapfte über den nassen Kai und kauerte mich erst einmal unter ein Segeltuch, mit dem ein paar Fässer abgedeckt waren, um mir die Zeit zu verschaffen, über meine Lage nachzudenken. Auf dem Kai war viel los, jedenfalls mehr als sonst bei solch einem
Weitere Kostenlose Bücher