Die Inselvogtin
todkranke Fürst überlebte.
»Ich war damals in der Mühle … «, begann er.
»Das weiß ich. Es war eine Genugtuung, zu wissen, dass auch Ihr verbrannt seid. Wie meine Liebste und das Kind.« Carl Edzard öffnete die Augen wieder. »Aber da habe ich mich wohl getäuscht.«
»Ich habe damals Eurem Sohn auf die Welt geholfen, gemeinsam mit Maikea Boyunga.«
»Es war also ein Junge?« Er lächelte traurig.
»Er ist es noch immer, Fürst.« Da sich keine Regung auf dem bleichen Gesicht zeigte, musste Tasso wohl deutlicher werden. »Habt Ihr nicht verstanden? Das Kind lebt! Maikea hat ihn damals gerettet und ihn mit nach Juist genommen. Inzwischen ist er fast zehn Jahre alt und erfreut sich bester Gesundheit, soweit ich weiß.«
Es dauerte weitere Sekunden, bis das Gesagte bei Carl Edzard eine Reaktion hervorrief. Er versuchte sich aufzurichten, etwas Farbe zeigte sich auf seinen Wangen. »Mein Sohn?«
»Genau! Aber ich weiß auch, dass er weit mehr als das ist. Eure heimliche Gattin hat mir alles erzählt. Der Junge ist der rechtmäßige Thronfolger!«
»Ich … Mein Gott … Was soll ich … « Der Fürst wurde von einem Hustenanfall geschüttelt, und Tasso bekam Angst, dass die Aufregung für den Kranken zu viel gewesen sein könnte. Aber Carl Edzard fasste sich wieder, zwang sich, ruhig zu atmen, und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß aus dem Gesicht. »Was soll ich jetzt tun?«
»Natürlich wäre es das Beste, wenn Ihr bald wieder zu Kräften kommen würdet. Ich gebe Euch den Rat, das Personal noch heute zu wechseln und Eure Mahlzeiten stets von einem Vorkoster testen zu lassen. Und lasst Euch keine Medikamente mehr einflößen! Ich wette, schon bald könnt Ihr wieder fest auf den Beinen stehen.«
»Und dann? Ich möchte meinen Sohn sehen! Am liebsten sofort!« Er sah aus wie ein kleiner Junge, der glaubte, seinen Willen mit kindlichem Trotz durchsetzen zu können.
»Nein, das wäre mehr als unvernünftig! Bedenkt, die Fürstin ist hochschwanger. Sie wird nicht begeistert sein, wenn Ihr nun den Sohn der Hofdame als rechtmäßigen Thronfolger präsentiert.«
»Aber das Kind in ihrem Leib ist ganz bestimmt nicht von mir!«
»Das hatte ich mir schon gedacht. Doch wenn Ihr zu voreilig seid, bringt Ihr Euch und den Jungen in Gefahr. Die Emder Renitenten glauben, sie sind bald am Ziel, sie werden nicht einfach so aufgeben.«
Der Fürst sank wieder kraftlos in seine Kissen zurück. »Ich wüsste nur zu gern, wie er ist, wie er aussieht. Hat er Ähnlichkeit mit mir? Oder mit Jantje? Ich hoffe Letzteres … «
»Wahrscheinlich ist es besser, wenn Ihr ihn jetzt noch nicht zu sehen bekommt. Eure Feinde dürfen davon noch nichts erfahren. Sonst könnte es für Euch gefährlich werden. Deswegen ist es wichtig, dass Ihr ein geheimes Schreiben aufsetzt, aus dem eindeutig hervorgeht, dass der Junge ehelich ist und somit ein Anrecht auf den Thron hat. Vielleicht könnt Ihr den Geistlichen nennen, der Euch damals getraut hat, und ihn von der Schweigepflicht entbinden. Er müsste dann die Eheschließung bestätigen, wenn es darauf ankommt.«
»Ja, sicher. Aber es wird einige Tage dauern, bis ich ihn in Halle ausfindig gemacht habe.«
»Und so lange solltet Ihr Euch ruhig verhalten und zu Kräften kommen. Euch darf jetzt auf keinen Fall etwas zustoßen. Ihr müsst am Leben bleiben!«
»Das werde ich! Ganz bestimmt!« Ein Lächeln lag auf dem Gesicht des Fürsten, und Tasso glaubte schon, Carl Edzard sei vor Erschöpfung eingeschlafen. Doch dann öffnete er die Augen und blickte ihn direkt an. »Ich vertraue Euch, Weißer Knecht! Bitte, reitet Ihr nach Halle und sucht nach Pater Johannes Sturmius. Und wenn mir etwas passieren sollte, dann sollt Ihr es sein, der meinen Sohn an den Hof nach Aurich holt. Versprecht Ihr mir das?«
Tasso nickte. »Das Wohl Ostfrieslands hängt davon ab.«
6
W ilhelmine saß in der ersten Reihe vor dem Altar, den Kopf gesenkt, die Hände zum Gebet gefaltet. Niemals war ihr ein Kirchenstuhl so hart erschienen wie hier in der Wilhelminenholzer Kapelle.
Der Pastor predigte schon lange, die Enthauptung Johannes des Täufers war sein Thema:» … Und so können wir sicher sein, dass der Allmächtige das intrigante Treiben der Weibsbilder Salome und Herodias mit den schrecklichsten Qualen bestrafte, so wie es allen ergehen wird, die sich auf Erden durch falsches Spiel und bösartige Machenschaften einen Vorteil versprechen … «
Wilhelmine hätte am liebsten weggehört. Doch die Rede
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