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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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würde.
    Eyke hantierte mit den Seilen und Segeln, dann nahm er am hinteren Ruder Platz und zündete sich eine Pfeife an.
    Maikea setzte sich auf einen Holzverschlag und lehnte sich mit dem Rücken gegen ein aufgerolltes dickes Tau. Sofort stand Weert Switterts vor ihr.
    »Das hast du nicht gewusst, dass wir beide ein gemeinsames Schicksal haben, nicht wahr?« Weert grinste ohne jede Freundlichkeit. Der kurze Tritt, den er ihr verpasste, tat nicht so weh wie das Heimweh, das sich in Maikeas Herz eingenistet hatte.»Wir haben nicht nur beide in derselben Nacht unsere Familie verloren, sondern auch am selben Tag unsere Heimat. Das treibt einem schon mal die Tränen in die Augen … « Er setzte sich neben sie und reichte ihr mit affektierter Geste sein furchtbar schmutziges Taschentuch.» … jedenfalls, wenn man ein Mädchen ist.«
    »Hätte ich gewusst, dass du dabei bist, dann wäre ich lieber geschwommen!«
    »Ohne mich wärst du doch gar nicht hier auf dem Schiff.«
    »Wieso das denn?« Maikea schaute ihn irritiert an.
    »Was meinst du, wer die Überfahrt bezahlt hat? Und wer dafür sorgt, dass wir heute Abend noch in diesem Heim ankommen?«
    »Ich dachte, Pastor Altmann … «
    Weert lachte laut und scheußlich.»Der alte Kirchenknochen hat doch keinen Gulden mehr in der Tasche.« Er setzte sich neben sie.
    »Aber meine Familie, meine Mutter … «, begann Maikea zaghaft, doch Weerts schadenfrohe Miene verriet ihr, dass sie auch hier falschlag.
    »Deine Mutter hat doch ihr ganzes Leben lang nicht einen Handschlag gearbeitet. Und zehn Jahre im Bett herumzuliegen kostet was, da ist vom ohnehin schon bescheidenen Vermögen deines Vaters wohl nichts mehr übrig geblieben.« Nun strich er sich über die Weste, die aus gutem Stoff war und sich nur mit Mühe über seinem runden Bauch schließen ließ.»Bei mir ist das anders. Mein Vater hatte eine kleine Schatzkammer in unserem Haus. Und obwohl er ja damals auch in den Fluten umgekommen ist, mussten meine Mutter und ich keine Not leiden. Er hat gut vorgesorgt. Er war eben ein weiser Mann.«
    Jetzt konnte Maikea nicht mehr an sich halten:»Er war ein Strandräuber, der falsche Leuchtfeuer gesetzt hat, mehr nicht.«
    »Wer sagt das?«, keifte Weert zurück.
    »Geeschemöh hat’s mir erzählt!« Im selben Augenblick wusste Maikea, dass dieser Satz nur wieder neues Futter für Weerts giftigen Spott liefern würde. Also fügte sie schnell hinzu:»Und von Pastor Altmann weiß ich, dass dein Vater der einzige Bauer war, der trotz Weideverbots sein Vieh in den Dünen grasen ließ.«
    »Ja und? Früher sind auf Juist wilde Pferde über die Insel galoppiert, da hat auch niemand so ein lächerliches Verbot ausgesprochen. Mein Vater hat sich eben von niemandem sagen lassen, was er zu tun und zu lassen hat.«
    »Es war ihm egal, dass die Insel bei Sturmflut angreifbar war, weil die Schutzdünen zertrampelt worden sind. Dein Vater war ein Verbrecher.«
    »Nimm das zurück!« Weert sprang auf und riss Maikea am linken Zopf mit sich.
    Die Stelle, an der die Haare am Kopf spannten, brannte heiß, aber sie verkniff sich einen Schrei.
    »Hey, ihr Rotzlöffel «, mischte Eyke sich ein, nahm die Pfeife aus dem Mund und warf einen mehr als finsteren Blick in ihre Richtung.»Dies ist mein Boot, und ich bin hier der Kapitän. Und wenn ihr euch weiter so zankt, dann befördere ich euch über Bord, verstanden?«
    Weert nahm wieder auf der Kiste Platz.
    »Du wirst nicht glücklich werden, Maikea Boyunga «, flüsterte er und rückte dabei so nah an sie heran, dass sein unangenehm warmer Atem in ihr Ohr drang.»Dafür werde ich schon sorgen. Alle werden erfahren, dass du von einer Hexe großgezogen worden bist. Und das wird dich verdammt einsam machen.«

3
    S eit zwei Stunden fuhren sie schon in dieser erbärmlichen Kutsche. Weert war speiübel, aber er versuchte es zu verbergen. Bereits auf dem Meer war ihm das ewige und Ab der Wellen auf den Magen geschlagen. Aber auch das Gepolter des Wagens auf den unebenen Straßen bekam ihm nicht. Dennoch versuchte er, Maikea mit seinem andauernden Grinsen zu beweisen, wie viel härter er im Nehmen war als sie.
    Die beiden schmutzig braunen Kaltblüter zogen die Kutsche geduldig voran. Niemals zuvor hatte Weert so kräftige Gäule gesehen. Die wenigen Pferde auf Juist waren sehnig und klein und hätten auf dieser Strecke wahrscheinlich schon längst schlappgemacht. Ein Stein von der Größe eines Kinderkopfes geriet unter eines der Kutschenräder und ließ

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