Die Inselvogtin
Herrin, Fürstin Sophie Caroline, hat mir sogar einen Brief gezeigt, in dem stand, diese scheußlichen Rebellen hätten dich umgebracht. Es hat mir das Herz zerbrochen, nächtelang habe ich nur geheult. Und trotzdem habe ich es nie wirklich glauben können … Und nun stehst du hier!«
Jantje hatte eine sehr weibliche Figur bekommen, war dafür aber kaum größer geworden. Sie strahlte noch immer diese unwiderstehliche Herzlichkeit aus, mit der sie jeden Menschen um den Finger wickeln konnte.
»Und du hast deinen Wunsch erfüllen können und arbeitest jetzt als Kammerfräulein?«, fragte Maikea.
»Ja, seit drei Jahren schon. Es ist eine harte Arbeit, aber nicht so anstrengend, wie am Webstuhl unter den Augen der klapprigen Rauschweiler zu hocken … « Beide lachten, und es war so, als wären sie niemals getrennt gewesen.»Aber was ist mit dir?«
Maikea zögerte. Es barg ein Risiko, wenn sie erzählte, dass sie all die Jahre bei den Erzfeinden des Fürstenhauses gelebt hatte und sich diesen Menschen inzwischen zugehörig fühlte.
»Ich hatte Glück, Jantje. Ich habe liebe Menschen kennengelernt, die mir eine Menge beibringen konnten.«
»Lass mich raten: Du hast wahrscheinlich im Garten gewühlt und Säcke zur Mühle getragen und all diese Arbeiten gemacht, die eigentlich den Kerlen zugedacht sind … «
»Nein, ich habe Karten gezeichnet. Und Meeresströmungen berechnet. Du glaubst nicht, wie spannend das ist. Mein Lehrmeister, er hat mir so vieles beigebracht, dass ich -«
»Dass du wohl tatsächlich bald Inselvogtin werden wirst?«, ergänzte Jantje und lachte.»Komm mit, ich werde meiner Herrin sagen, dass du noch am Leben bist. Sie ist dir immer dankbar gewesen, weil du damals so mutig warst! Und Carl Edzard auch … « Die Farbe auf Jantjes Wangen wurde mit einem Mal dunkler und war schließlich fast so rot wie der Klatschmohn, der sich in einer kleinen Ecke des Schlosshofes ausgebreitet hatte.
»Was ist mit euch beiden?«
»Was soll schon sein? Er ist der amtierende Fürst. Vor einem Monat hat er geheiratet. Und ich bin das Kammerfräulein seiner Stiefmutter.«
»Ach, erzähl mir nichts. Ich habe es schon damals bemerkt, an diesem seltsamen Tag, als er unser Waisenhaus besucht hat.«
»Was hast du bemerkt?«
»Ihr seid euch so nah gewesen. Er hat deine Hand gesucht. Du hast ihn zum Lachen gebracht. Ich erinnere mich noch genau.«
Auf einmal schlich sich ein Schatten auf Jantjes Gesicht. Ein düsterer Schatten, eine Ernsthaftigkeit, vielleicht sogar ein Ausdruck der Angst.
»Was ist denn?«
Jantje zog Maikea ein Stück weiter an der Hausmauer entlang, bis sie zu einer Nische kamen.»Du hast recht. Da ist etwas zwischen ihm und mir. Es ist … ach, ich mag ihn so. Seit ich lebe, ist er der Einzige, der mich interessiert. Obwohl ihn die Menschen für einen Weichling halten, für einen Dummkopf obendrein, ich sehe das nicht so. Carl Edzard ist der liebenswerteste Mann, den ich kenne. Mein Herz gehört nur ihm.« Jantje atmete jetzt heftig, so, als wäre eben etwas aus ihr herausgeplatzt, mit dem sie sich schon lange herumgequält hatte.
»Aber du bist nicht gerade standesgemäß für deinen Liebsten, stimmt’s?« Maikea versuchte die Situation ein wenig aufzulockern:»Du könntest doch seine Mätresse sein. Soweit ich weiß, haben alle Fürsten und Könige eine Nebenfrau, der sie mehr zugetan sind als ihrer Gattin.«
»Aber ich bin seine Gattin … «, flüsterte Jantje fast unhörbar.
»Wie bitte? Carl Edzard hat doch eine entfernte Verwandte geehelicht, soweit ich weiß.«
»Oh, bitte, Maikea, du bist die Erste, der ich es erzähle. Und du darfst es niemandem, hörst du, niemandem verraten.« Nun war ihre Freundin kaum noch wiederzuerkennen. Sie zog Maikea weiter. Zwischen der Waschküche und einem anderen Gebäude, bei dem es sich dem Geruch nach um die Brauerei handeln mochte, sprach sie leiser weiter.»Wir haben einen Freund. Pater Johannes Sturmius. Er war bis vor kurzem Edzards Lehrer für Theologie. Nun ist er ins Pietistenzentrum nach Halle an der Saale abberufen worden. Doch zuvor hat er uns getraut. Heimlich.«
»Wann?«
»Eine Woche vor der offiziellen Hochzeit.«
»Du bist also die eigentliche Fürstin?«
Jantje lachte und weinte gleichzeitig.»Ja und nein. Wir haben uns natürlich ohne den Segen seines Vaters das Jawort gegeben. Und keine Menschenseele außer uns beiden und dem Theologen hat Kenntnis davon. Na ja, und nun weißt du es auch … Ich kann dir doch
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