Die Inselvogtin
Kleid, das du am Leib trägst, hast du mir zu verdanken!« Er schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass der Wein in seinem Glas über den Rand schwappte.
»Dir? Hältst du mich wirklich für so unwissend, dass ich nicht genau weiß, wer für diese Dinge aufkommt? Es wird aus der Kasse des Fürstenhauses bezahlt, und die wird gefüllt von den zahllosen kleinen Bauern und Handwerkern und Kaufleuten da draußen. Wenn ich also jemandem etwas schulde, dann dem Volk, das Steuern zahlt. Und das gebe ich bereits zurück, indem ich alles daransetze, es vor den nächsten Sturmfluten zu bewahren.«
»Aber ich bin der Schlüssel zu dieser Geldquelle. Ohne mich wirst du keinen Mariengroschen mehr bekommen … «
»Das glaubst du vielleicht, Weert, aber da überschätzt du deinen Einfluss gewaltig. Es ist nämlich umgekehrt. Nicht ich schulde dem Fürstenhaus etwas, sondern die Cirksena stehen in meiner Schuld! Denk nur an die Entführung damals. Hätte Carl Edzard in der Kutsche gesessen, sähe das Leben in Ostfriesland heute ganz anders aus.« Maikea stand auf und ging zur Tür.»Sie haben dich für deinen Einsatz belohnt, indem sie dir Macht gaben. Auch wenn du vor fünf Jahren nur Theater gespielt hast, was außer mir und deinem treu ergebenen Begleiter Rudger wohl keiner weiß. Aber mich werden sie belohnen, weil sie mich brauchen. Wenn du mir also einreden willst, ich sei in irgendeiner Weise von deiner Gunst abhängig, dann kann ich nur schallend lachen.« Und das tat sie auch, bevor sie sich umdrehte und die Tür hinter sich lautstark ins Schloss fallen ließ.
Weert blieb noch eine lange Weile sitzen und starrte auf den grünen Weihnachtsbaum. Er verfluchte seinen Eifer, mit dem er um diese Frau geworben hatte.
»Rudger «, brüllte er schließlich. Es dauerte, bis der Rotschopf in der Tür auftauchte.»Lauf ihr nach, sofort! Lass dieses Weibsstück nicht aus den Augen. Sie soll rund um die Uhr bewacht werden, aber ohne dass sie etwas davon mitbekommt. Ich will alles von ihr wissen.«
»Sie hat also nein gesagt?«
Weert schlug erneut auf den Tisch, dieses Mal so heftig, dass der Buchsbaum zur Seite kippte und die roten Apfel auf den Boden kullerten.»Mach dich auf den Weg!«
Weert schwor sich, Maikea Boyunga würde vom heutigen Tag an einen Sturm zu spüren bekommen, dem kein Deich, keine Düne und kein Wall etwas entgegenzusetzen haben könnte.
Es war der Sturm seines Zorns.
13
A thene und Bellona hießen die beiden Göttinnen, die in Stein gemeißelt den Eingang zum Schlossgarten säumten. Die dünne Schneedecke auf ihren Häuptern wirkte wie weiße Pelzmützchen, die sich die Skulpturen der antiken Mythologie gegen die weihnachtliche Kälte aufgesetzt hatten.
Maikea zog ihren Umhang dichter. Bald würde es dunkel sein, aber bis dahin wollte sie sich noch etwas frische Luft um die Nase wehen lassen und die unerfreuliche Begegnung mit Weert Switterts vergessen.
Wie hatte er nur glauben können, dass sie ihn heiraten würde?
Der Schlossgarten war kein Ort, an dem sie gern spazieren ging. Furchtbar geradling war er, und die ganze Parkanlage kam ihr wie ein Gefängnis für die Natur vor. Auch die Schnittkunst des Gärtners im Sommer war ihr ein Gräuel: Exakt zugeschnittene Würfel, Spiralen, Kreise und Rauten bildeten dann einen Irrgarten. Und erst, wenn man dicht genug an die grünen Formen herantrat, erkannte man, dass es sich hier tatsächlich um Pflanzen handelte. Jetzt, im Dezember, sahen die kahlen Äste noch trostloser aus.
Doch der nächste Wald war zu Fuß nicht so schnell zu erreichen, und in der Stadt war es Maikea um diese Uhrzeit zu gefährlich. Also hatte es sie hier auf die geometrisch angelegten Pfade verschlagen.
»Maikea?«, rief plötzlich eine Stimme hinter ihr, und als sie sich umdrehte, erkannte sie Jantje, die durch den Schnee auf sie zulief. Sie war seit dem Sommer noch ein wenig rundlicher geworden.
Die beiden Freundinnen nutzten jede freie Minute, um sich zu treffen.
Einmal hatte Maikea sie auf eine Kutschfahrt an den Deich mitgenommen, im Gegenzug wusste Jantje, wo man in der Stadt köstliches Backwerk kaufen und eine Tasse heiße Schokoladenmilch trinken konnte. Sie beide waren sich, fast genau wie damals im Kinderheim in Esens, gegenseitig eine große Stütze.
»Alles Gute zum Geburtstag!«, gratulierte Jantje, als sie schließlich bei ihr angekommen war.»Ich bin leider nicht dazu gekommen, dir ein Geschenk zu basteln. Meine Herrin hat schon seit Tagen … na ja, du kannst
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