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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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sind auch bald fertig!«
    »Auf keinen Fall!« Er stemmte seine kurzen Arme in die Hüfte und schüttelte den Kopf.»Als Ratsherr Switterts mir sagte, ich solle einer jungen Frau bei ihrer Arbeit Hilfestellung geben, da habe ich an etwas anderes gedacht als das hier.«
    »Und doch müsst Ihr seinem Befehl Folge leisten … « Obwohl Maikea das Verhalten ihres Beschützers lachhaft fand, tat er ihr leid.»Bitte! Nur noch einen kurzen Augenblick.«
    Zögernd trat Gregor wieder ins Watt, griff nach dem Stab und seufzte. Maikea beeilte sich. Sie brauchte mindestens zwei Dutzend Ergebnisse, damit sie weiterarbeiten konnte.
    Welle für Welle beobachtete sie das Senklot und notierte sich die Abweichungen auf einem durchnässten Blatt Papier, das bald zu klein wurde für die vielen Zahlen. Dann erlöste sie Gregor von seiner Aufgabe, und gemeinsam schafften sie die Ausrüstung in die Kutsche.
    Die Pferde schienen ebenfalls froh zu sein, sich wieder in Bewegung setzen zu dürfen, denn der Wind hatte weiter zugenommen. Von den Inseln her grollte ein herannahendes Gewitter, und der Weg nach Aurich war weit.
    Maikea hatte unter dem Kutschbock ein paar weitere Blätter verstaut und sie zum Schutz in Leinen geschlagen. Der Kohlestift hinterließ dennoch nur dünne Linien auf den klammen Seiten, und ihre Notizen waren nur schwer zu erkennen. Auch das Holpern der Kutsche machte es nicht gerade einfacher, doch Maikea ließ sich nicht abhalten. Sie war viel zu gespannt, welche Erkenntnisse sie erhalten würde, sobald alles vor ihr lag.
    »Warum macht Ihr das alles?«, fragte Gregor schließlich, nachdem sie die breite Straße erreicht hatten und er sich allem Anschein nach wieder etwas wohler in seiner Haut fühlte.»Also, ich will ehrlich sein, am Hofe zerreißen sie sich das Maul über Euch. Manche behaupten, Ihr seid verrückt. Andere flüstern, Ihr steckt mit dem Teufel im Bunde.«
    Maikea lachte.»Und was denkt Ihr? Schließlich verbringt Ihr viel Zeit mit mir.«
    Gregor zögerte.»Nun ja, nach dem heutigen Tag könnte ich sogar glauben, dass beide Theorien zutreffen. Ich habe noch nie eine Frau erlebt, die bei Sturm und Wind freiwillig vor die Tür, geschweige denn hinter den Deich geht.« Er trieb die Pferde schneller an.»Ihr nehmt es mir doch nicht übel, wenn ich so rede?«
    »Ihr scheint ein ehrlicher Mann zu sein. Von Eurer Sorte gibt es am Hof bedenklich wenige.«
    »Da könntet Ihr recht haben.«
    Den Rest der Strecke ließ er sie rechnen. Ab und zu schielte er allerdings auf das Blatt, nur um sich gleich darauf kopfschüttelnd abzuwenden, weil er mit den endlosen Zahlenreihen und Zeichnungen nichts anzufangen wusste. Doch für Maikea fügte sich alles zu einem Bild, und aus dem Bild wiederum gewann sie langsam eine Erkenntnis. Genauso war es auch beim Kartenmalen gewesen: Erst als sie die Flächen von Land und Meer vor sich hatte liegen sehen, waren ihr die Zusammenhänge aufgefallen. Bei der Skizze heute war es ebenso. Es sah aus, als habe sie die Küstenlinie in Stücke zerteilt und betrachte nun die Schnittkante.
    »Die Wunde, die das Meer in die Küste reißt, wird immer größer, je steiler die Abrisskante ist. Dadurch entwickelt sich die Zerstörungskraft der Welle noch gewaltiger «, murmelte Maikea vor sich hin.»Man müsste an den steilen Stellen die Wellen künstlich brechen und den Abtransport des Sandes verhindern. Durch lange, gerade Wälle … vielleicht aus stabilen Holzpflöcken … bis ins Meer hinaus … «
    Gregor jedoch hörte längst nicht mehr zu, sondern freute sich, weil er in der Ferne bereits das Schloss und die Lambertikirche erkennen konnte.
    »Ob sie den alten Georg Albrecht wohl schon in die Gruft gebracht haben?«, überlegte er laut.»Sie haben uns versprochen, dass wir auch einen Anteil am Leichenschmaus abbekommen. Was die hohen Herren wohl übrig lassen? Nur vom Feinsten, möchte ich wetten, schließlich hat Weert Switterts höchstpersönlich das Menü zusammengestellt.«
    Er rieb sich den Bauch und schien sich am Regen nicht mehr zu stören.
    Doch die eigentümliche Stille, die in Aurich herrschte, ließ beide stutzen. Kurz darauf kamen sie an der Kirche vorbei und erfuhren von den Schaulustigen, dass der Kanzler Brenneysen vor wenigen Stunden ganz plötzlich verstorben sei.
    Und Weert Switterts, der in der Todesstunde tapfer an seiner Seite gestanden hatte, wurde als sein Nachfolger gehandelt.

12
    S ie ist da.« Rudger deutete eine Verbeugung an und machte ein zweideutiges

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