Die Inselvogtin
Gesicht.
»Bring sie zu mir. Und dann lass uns allein.«
»Das mache ich sofort, Weert.« Er blieb einen Moment länger im Raum, als es nötig war.
Weert ahnte, was nun zur Debatte stand.»Bitte, nicht schon wieder das leidige Thema. Der Sekretarius des Obersten Geheimrats kann unmöglich eine Dirne heiraten. Das gehört sich einfach nicht. Such dir eine andere, ich will von der Sache nichts mehr hören.«
»Aber … sie bekommt ein Kind.«
»Und? Wer sagt dir, dass es deines ist. Auf Trientje hat doch schon halb Aurich gelegen. Sogar ich, wenn ich mich recht entsinne.« Weert nahm den erschrockenen Gesichtsausdruck seines Gegenübers mit Vergnügen wahr. Wie empfindlich Rudger stets reagierte, wenn man ihn mit seiner kleinen Hure aufzog.»Keine Sorge, das war vor deiner Zeit.«
Rudger schloss wortlos die Tür.
Weert schaute sich im Raum um. Es war ein erhabenes Gefühl, Hausherr zu sein. Die Handwerker hatten ganze Arbeit geleistet, um aus dem kargen, altmodischen Haus an der Lambertikirche, in dem Brenneysen seine letzten Jahre verbracht hatte, einen kleinen Palast zu machen. Aus Holland hatte er sich feinste Ledertapeten liefern lassen, ein opulentes Goldrelief auf dunkelblauem Grund schmückte nun die vormals weiß getünchten Wände des Salons. Seine Magd hatte die schweren Vorhänge bereits zugezogen, und die brennenden Kerzen, die auf dem venezianischen Kronleuchter steckten, ließen die vielen edlen Gold-, Silber- und Kristallteile im Raum tausendfach blinken. Doch das hübscheste Detail befand sich heute, zur Feier des Tages, auf der blank polierten Fläche des Esstisches: ein geschmückter Buchsbaum. Weert hatte gehört, dass es in den wichtigsten Adelshäusern in Mode gekommen war, sich am Weihnachtsabend etwas Immergrünes ins Haus zu holen. Der neue Brauch gefiel ihm, also hatte er im Schlossgarten einen Busch entsprechend beschneiden, hierher bringen und mit roten Äpfeln schmücken lassen – als Symbol für die Befreiung von der Erbsünde durch Jesus Christus, dessen Geburtstag sie heute feierten. Er genoss den Luxus, sich alles leisten, alles gönnen, alles erlauben zu können. Zwar war er nicht Kanzler geworden, dazu hatten ihm einige Stimmen im Rat gefehlt, doch er war nun Oberster Geheimrat. Und diese Position war fast noch besser, denn alle Befehle, Briefe und Gesetze liefen durch seine Hand, ausnahmslos. Weert war beinahe zufrieden. Nur eine Sache fehlte ihm noch: Maikea.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Verehrteste!«, begrüßte er sie, als sie durch die Tür trat. Das rote Kleid, das sie trug, hatte er ihr schneidern lassen, genau wie die anderen Roben in ihrem Schrank. So zerlumpt, wie sie im Sommer bei ihm angekommen war, hatte er sie nicht herumlaufen lassen können. Die kleine Auswahl an schlichter, aber edler Garderobe hatte ein kleines Vermögen gekostet. Aber Weert wusste, es gab Dinge, in die es zu investieren lohnte.
Er ging ihr entgegen, fasste nach ihrer Rechten und berührte den Handrücken mit seinen Lippen.
»Du siehst wunderschön aus, Maikea. Hat dir das schon einmal jemand gesagt?«
Sie wich ein Stück zurück und zog eine Augenbraue in die Höhe.»Was ist denn hier passiert? Und warum hast du einen künstlichen Garten in deinem Zimmer?«
»Heute ist Weihnachten. Und dein Geburtstag. Da wollte ich ein wenig feierliche Stimmung zaubern. Magst du es?«
»Bäume in der Natur sind mir lieber. Und die glänzenden Apfel an den Zweigen des Buchsbaums sehen schon etwas lächerlich aus.« Ihre Ehrlichkeit und Direktheit war Weert bereits gewohnt, und immer wieder ertappte er sich dabei, dass er nicht wusste, ob sie ihn entzückte oder verärgerte.
Er hielt ihr ein Glas entgegen und bemerkte ihr Zögern, doch schließlich nahm sie den Wein und nippte daran.»Ich freue mich, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Bei der Arbeit darf ich dich ja nicht stören, und auch sonst bist du ständig unterwegs, soweit ich weiß.«
»Wenn du willst, kann ich dir meine neuesten Pläne zeigen.« Wie aus dem Nichts zauberte sie eine Papierrolle aus einer Falte ihres Kleides.»Wellenbrecher in Form von Holzpflöcken, die zusätzlich bei paralleler Strömung dem Sandfang dienen … «
Er umfasste ihr Handgelenk und hinderte sie daran, die Blätter auszubreiten.»Nein. Heute nicht. Dieses Treffen soll rein privat sein.«
Es kostete ihn Kraft, sich zurückhaltend und galant zu geben. Wenn er die Dirnen am Stadtrand besuchte, ergriff er auf ungestüme und fordernde Art Besitz von
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