Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
Vom Netzwerk:
Kleidung, Vorräte und sonst nichts.
    ›Wir sind unterwegs nach Holland‹, erklärte der Alte, der ein bisschen Friesisch konnte.›Wir wollen an Bord eines größeren Schiffs nach Südafrika.‹ Die Kinder mit ihren großen Augen und die Frauen sahen so unglaublich ängstlich aus, und ich hab noch gedacht, da wollen die mit ihrem Hab und Gut bis Südafrika und bleiben schon an der ostfriesischen Küste im Sand stecken. Die taten mir leid. Menschen, die so eine weite Reise und ein solches Risiko auf sich nehmen, müssen ohnehin schon ganz arm dran sein, sonst wären sie doch in ihrer Heimat geblieben.
    ›Wir kriegen die los!‹, schrie Bengt da auf einmal. ›Das Boot sitzt auf einer Kante, wenn wir da ein bisschen wegschaufeln und dann mit dem Ruderboot schleppen, könnten wir Glück haben.‹
    Ich hab mir das auch angeschaut und gleich gesehen, der Bengt hat recht. Und da haben wir der Familie eben geholfen. Der Inselvogt saß wahrscheinlich bereits sowieso schon wieder warm in seiner Bude und trank Bier. Außerdem gab es auf dem ganzen Schiff sicher nichts, womit der Fürst in Aurich etwas hätte anfangen können. Die Ladung war nichts wert, doch für die Dänen bedeutete sie alles …
    Uke und Bengt sind also ins Wasser, tief ist es da ja nicht, und haben die Ruder in die Ritze zwischen Schiffsrumpf und Sandbank gesteckt und dann mit aller Kraft die Schneise vergrößert. Später bin ich auch noch rein, zu dritt ging es besser. Tammo und Ette sind an Bord geblieben, haben das Notsegel gehisst, damit wir Fahrt aufnehmen. Und dann auf einmal hat das große Schiff geruckelt, ist ein ganzes Stück weit nach vorne gerutscht. Wir sind nichts wie rein in unser Boot, alle wieder an die Ruder …
    Als der Pott dann frei war, Mensch, da haben wir gejubelt! Ich kann mich nicht erinnern, wann ich in meinem Leben jemals so stolz und so … so glücklich gewesen bin! Der alte Däne trat an die Reling und hat in seinem holprigen Friesisch gesagt: ›Wir haben nicht viel für ein Dankeschön. Aber wir möchten Euch dieses Buch schenken, und wir werden für Euch beten.‹
    Der Tammo hat das Ding dann aufgefangen. Aber erst, als wir wieder sicher an Land waren, haben wir gesehen, dass der alte Mann uns eine Bibel zugeworfen hat. In dänischer Sprache. Kann also keiner von uns lesen, aber trotzdem haben wir gleich begriffen, wie wertvoll dieses Geschenk war.«
    Eyke nahm den Sack, den er über die Schulter geworfen mit sich getragen hatte, öffnete die Schnur und holte ein schwarzes Buch heraus, das aussah, als wäre es schon durch unzählige Hände gegangen. Das goldene Kreuz auf der Vorderseite glänzte nur noch schwach, und einige der bräunlichen Seiten hingen seitlich heraus. Der Buchrücken war gewellt, und der Einband blätterte ab. Es war die Bibel der Dänen, und Eyke hielt sie wie einen Schatz.
    »Wir haben das Geschenk zum Inselvogt gebracht …›Wenn der Fürst seinen Anteil haben will, so soll er diese Bibel nehmen, mehr gab es nicht zu holen‹, habe ich zu ihm gesagt. Der Inselvogt war schon recht betrunken, er hat nur gebrummt und das Buch vor sich auf den Tisch gelegt.
    Wir dachten, damit wäre die Geschichte zu Ende. Aber da hatten wir die Rechnung wohl ohne Weert Switterts gemacht.«
    Der Weiße Knecht musste zugeben, was er bislang zu hören bekommen hatte, forderte ihm einen gewissen Respekt vor den fünf Männern ab. Selbst wenn das Ganze in Wahrheit nur halb so dramatisch abgelaufen wäre, hatten sie Mut bewiesen und hätten dafür eigentlich belohnt werden müssen.
    »Wieso wirft man Euch außerdem noch Bestechlichkeit vor?«
    Eyke erhob sich und machte ein paar große Schritte.
    Man sah ihm an, dass er diese Bewegung brauchte, weil es in ihm brodelte.»Sie werfen uns vor, wir hätten Geld vom Schiffsführer genommen, damit wir ihn von der Sandbank retten.«
    »Wie kommen sie darauf?«
    »Weiß der Teufel. Vielleicht haben wir nach der Rettung so einen glücklichen Eindruck gemacht, dass der Inselvogt dachte, wir hätten uns Gold oder Ähnliches in die Taschen gesteckt. Aber so ist es nicht! Trotzdem muss der Inselvogt seinen Verdacht beim Amtmann gemeldet haben, und der hat es an den Geheimrat weitergeleitet. Und fünf Wochen später heißt es, wir hätten uns Mitte November bei Gericht zu melden. Wir waren uns keiner Schuld bewusst, also sind wir hin … Ich war ja noch nie am Hof in Aurich. Aber als ich den ganzen Prunk da gesehen hab und dann noch den fetten Switterts in seinem Mantel, da hat sich

Weitere Kostenlose Bücher