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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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darauf trat Weert Switterts ein. Seine schweren Schritte ließen die Holzdielen knarren, und Wilhelmine schloss die Augen, um dieses Geräusch besser aufnehmen zu können. So also hörte es sich an, wenn ein Mann ihr Zimmer betrat.
    »Eure Hoheit, ich versichere Euch, dass ich nur aus dem Fenster schaue.« Der Ratsherr räusperte sich.»Zudem wünsche ich Euch ein gesegnetes neues Jahr.«
    Wilhelmine öffnete wieder die Augen und betrachtete ihren morgendlichen Besucher. Er stand tatsächlich mit dem Rücken zu ihr. Schade, sie hätte nichts dagegen gehabt, von ihm angesehen zu werden.
    »Danke, das wünsche ich Euch auch. Ihr habt mich bei der Morgenandacht vermisst, nicht wahr?«
    »Vielleicht sollte ich Euch erläutern, dass an diesem Hofe der Neujahrstag eine besonders hohe Stellung hat. Nach den Geburtstagen der Fürstenfamilie ist es das größte Fest im Jahr. Einige Gesandte aus Braunschweig, Dänemark und Dresden sind extra angereist, um uns Grüße auszurichten. Es gibt am Mittag einen Empfang, und nach der Pause steht um vier Uhr das Scheibenschießen auf dem Programm. Das ist immer ein großes Vergnügen.«
    »Ach, wie gern wäre ich dabei «, log Wilhelmine.»Aber ich fühle mich so elend.«
    »Ihr seid die Fürstin, und dies ist ein staatlicher Akt. Eure Anwesenheit ist nicht nur erwünscht, sie wird erwartet!« Switterts’ Stimme klang streng und ungeduldig. Und er wirkte auf Wilhelmine so stolz und willensstark, dass sie sich fragte, warum sie nicht einen solchen Mann zum Gatten haben konnte.
    »Sagt, Switterts, wisst Ihr eigentlich, dass ich es war, die Euch zum Obersten Geheimrat gemacht hat? Damals, nach Brenneysens plötzlichem Tod? Sie wollten alle den langweiligen Hofmarschall von Langeln, aber ich konnte sie überzeugen, die wahre Macht lieber in Eure Hände zu legen.«
    Weert Switterts wandte kurz den Kopf und sah sie flüchtig an, doch als er erkannte, dass die Fürstin so gut wie unbekleidet in ihrem Bett saß, schaute er wieder weg.»Warum habt Ihr Euch für mich eingesetzt?«
    »Euer Auftreten imponierte mir. Damals, als wir uns das erste Mal begegnet sind und Ihr meinem Gatten ins Gewissen geredet habt, da war ich überzeugt, in Euch einen anständigen Politiker zu sehen. Und diese Sache mit den Insulanern, ich fand es großartig, dass Ihr mit der nötigen Härte vorgegangen seid. Es ist zu bezweifeln, dass Carl Edzard den Mut bewiesen hätte.«
    »Leider sind uns die Männer entwischt.«
    »Ich hörte davon. Wollen wir hoffen, dass diese Verbrecher nicht weit kommen. Sie verdienen den Tod, und zwar so bald wie möglich.«
    »Ihr scheint Euch tatsächlich für diese Dinge zu interessieren, Eure Durchlaucht «, stellte Switterts mit leicht erstauntem Unterton fest.
    »Aber natürlich tue ich das. Sehr sogar. Und ich sehe, dass Ihr die richtigen Eigenschaften habt, die dem Fürsten zum Regieren fehlen.« Sie zögerte.»Vor allem Eure … Männlichkeit … «
    Wilhelmine hoffte, dass ihr Besucher sich jetzt nicht von ihr verabschiedete, wie es ein anständiger Mann in diesem Augenblick getan hätte.
    Aber Gott sei Dank blieb er, wo er war. Nur sein Atem ging lauter als gewöhnlich.
    »Eure Durchlaucht, ich furchte, ich muss Euch leider enttäuschen … «
    »Ihr versteht mich schon ganz richtig. Und es wäre schade, wenn Ihr – nun, wie soll ich es ausdrücken? – meine kleine Einladung nicht annehmen würdet. Denn wenn es so weitergeht wie im letzten Jahr, dann wird dieses kleine Land, das Ihr so gekonnt und inbrünstig regiert, bald an die Preußen fallen.« Sie nahm jetzt allen Mut zusammen und stieg aus dem Bett. Ihre Beine waren weich, als sie barfuß zum Fenster ging.»Aber selbst wenn Carl Edzard wollte, halte ich es für keine gute Idee, dass die Cirksena sich tatsächlich weiter fortpflanzen. Seit Generationen sterben die Männer dieses Geschlechts, bevor sie vierzig sind. Und ihre letzten Jahre siechen sie meist unzurechnungsfähig in ihren Betten dahin, man denke nur an meinen seligen Schwiegervater. Nein, dieses Land braucht einen neuen Herrscher, einen Fürstensohn, der ausnahmsweise einmal stark, gesund und klug ist. So wie Ihr, Geheimrat Switterts.« Wilhelmine war jetzt ganz nah an ihn herangetreten. Nur kurz berührte sie seinen Unterarm. Das musste reichen. Und tatsächlich, er wich nicht zurück.»Ihr … findet mich doch hübsch?«
    »O ja, aber … «
    »Und es gibt doch kein Weib, das zu Hause auf Euch wartet?«
    »Nein, gibt es nicht … «
    »Zudem seid Ihr

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