Die Inselvogtin
mir fast der Magen umgedreht … Hätten wir diesen Schiffbrüchigen etwa noch das letzte Hemd wegnehmen sollen? Obwohl die hier am Hof alles im Überfluss haben? Das hat mich wütend gemacht, und wenn ich wütend bin, dann habe ich meine Zunge nicht im Griff. Tja, und so kam es dann zu den beiden anderen Punkten … Rebellion und Landesverrat … «
»Das allein reicht noch nicht für den Vorwurf des Landesverrats «, warf der Weiße Knecht ein.»Und nur dieser Anklagepunkt kann schlimmstenfalls zur Hinrichtung führen. Auf die anderen Dinge steht höchstens eine Gefängnisstrafe.«
»Da mögt Ihr recht haben «, gab Eyke zu. Ihm schien es nicht zu behagen, einem fremden Menschen alles zu erzählen. Doch dann fasste er sich ein Herz.»Ich hab außerdem noch gesagt, ich wünschte, die Cirksena würden aussterben. Und dass ich der Erste wäre, der die preußische Flagge hisst, wenn es so weit ist.« Er seufzte.
»Nun, das war nicht besonders schlau von Euch.«
»Aber der Geheimrat hat es als Drohung aufgefasst und mir unterstellt, ich plane mit meinen Männern ein Attentat. Ich habe auf ihn eingeredet:›Du weißt doch, wie das ist auf der Insel, du kommst doch selbst von Juist, bist einer von uns. Wie kannst du so unbarmherzig sein?‹Doch Switterts hat nicht reagiert, sondern uns ohne Gnade ins Gefängnis bringen lassen.«
Einer der Männer, die bislang schweigend der Erzählung ihres Wortführers gelauscht hatten, schob seinen Hemdsärmel hoch und zeigte ein paar frische Narben. Sie waren feuerrot und umfassten sein Handgelenk. Der Weiße Knecht kannte die Fesseln, die diese Verletzungen zufügten.
»Und auf dem Rücken meines Freundes gibt es auch noch was zu sehen «, verriet Eyke mit tonloser Stimme.»Schweine sind das, wirkliche Schweine.«
»Wie konntet Ihr entkommen?«, wollte der Weiße Knecht nun von ihm wissen.
»Wir saßen in dem Teil des Gefängnisses, in dem sie die Todeskandidaten unterbringen. Und eines Nachts hat eine der Nachtwachen die Tür zu unserer Zelle aufgelassen. Wir können uns das nicht erklären. Vielleicht war es ein Versehen. Aber wir sind natürlich sofort raus und wären beinahe über fünf Degen gestolpert, die auf dem Gang lagen. Es sah fast aus, als warteten die nur auf uns. Die Auricher Soldaten waren uns zahlenmäßig zwar überlegen und hatten jede Menge Waffen, aber wir hatten Glück. Bengt hat einen von ihnen erstochen. Wir konnten seine Waffe mitnehmen. Und dieses schmucke Ding hier, schaut doch mal!« Eyke zeigte ihm stolz ein silbernes Medaillon und ließ den Verschluss aufschnappen.
Der Weiße Knecht zuckte zusammen. Die zwei Bilder waren bereits stark verblasst. Dennoch erkannte er den Juister Inselvogt und seine hübsche Frau. Wie war dieses Stück in die Soldatenhände gelangt? Es musste Maikea viel bedeutet haben. Freiwillig hätte sie es nie fortgegeben. Was war mit ihr geschehen?
Eyke bemerkte die Aufregung des Weißen Knechts nicht, sondern ging wieder auf seinen Platz, um mit der Geschichte fortzufahren:»Wir sind losgerannt wie die Wahnsinnigen. Ich glaube, die Gebete von dem alten Dänen, die haben uns beschützt. Wenn uns die Flucht missglückt wäre, dann hätten unsere Hälse schon längst Bekanntschaft mit dem Strick gemacht.«
»Davon kann man ausgehen, ja!« Der Weiße Knecht betrachtete die Männer. Er legte seine Fingerspitzen gegeneinander und ließ seinen Blick von einem zum anderen wandern.
»Dann habt Ihr also nichts zu verlieren «, sagte er schließlich. Äußerlich, so wusste er, gab er eine ruhige und gelassene Erscheinung. Doch in ihm sah es anders aus. In ihm kochte die Wut.
»Doch «, widersprach Eyke.»Wenn Ihr uns nicht mitkämpfen lasst, dann verlieren wir noch unsere letzte Hoffnung. Wir geben alles, wahrlich, das schwören wir auf die dänische Bibel.« Tatsächlich legte er seine Hand auf das schwarze Buch.
Der Weiße Knecht erhob sich und wandte sich ab. Er musste einen Moment mit sich und seinen Gedanken allein sein. Doch ihm war klar, dies war der richtige Anlass, den Kampf wiederaufzunehmen. Keinen Tag länger wollte er warten. Keine weitere Chance verrinnen lassen. Er drehte sich wieder zu den Männern um.
»Wenn der Geheimrat Euch beschuldigt, ein Attentat zu planen, dann sollten wir seine Erwartungen nicht enttäuschen.«
»Wie meint Ihr das? Wen soll es erwischen? Den Fürsten?«
»Nein, das wäre nicht klug. Dem Fürsten darf nichts passieren, sonst fällt alles an Preußen, und wir haben nichts gewonnen. Nein,
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