Die Inselvogtin
ehrgeizig genug, um die besondere Gunst einer Fürstin zu schätzen?« Weert Switterts schaffte es nur, zu nicken.
»Dann seid an diesem Neujahrsmorgen nett zu mir, und ich werde es auch zu Euch sein!«
»Aber wir werden erwartet, Eure Durchlaucht!«
»Bitte! Danach werde ich die gesündeste, aufmerksamste Fürstengattin sein, die Ostfriesland je erlebt hat.«
16
W ie ein Wurm lag der Gesandte aus Braunschweig auf dem Boden der Scheune.
»Nicht töten! Bitte, ich flehe euch an! Lasst mich am Leben!«
Der Weiße Knecht reagierte nicht auf das Betteln.»Zieht ihm die Kleidung aus, bevor er sich weiter so durch den Dreck wälzt und wir später den Pferdemist von der Jacke kratzen müssen.«
Eyke und seine Männer packten den feinen Pinkel von allen Seiten, und einer knöpfte den doppelten Verschluss der Hose auf.
»Was habt ihr mit mir vor? Wollt ihr etwa Teufelszeug an mir verrichten? Hört, ich gebe euch Geld. Ich habe etwas dabei. Genug für euch alle. Aber lasst mich bitte gehen! Bitte!«
Die Angst hatte seinem blassen, arroganten Gesicht einen ganz neuen Ausdruck verliehen. Selten sah man den Menschen so tief in die Seele, wie wenn sie unter Todesangst litten, dachte der Weiße Knecht.
»Steck dir dein Geld in den Allerwertesten, von beidem wollen wir nämlich nichts wissen «, fauchte Eyke.
Er musste den Schiffer im Auge behalten, damit dieser es mit der Gewalt nicht übertrieb. Der Weiße Knecht erinnerte sich: Wenn die Wut überhandnahm, konnte man schnell so enden wie damals der Hitzkopf. Und er konnte es sich heute nicht leisten, auch nur einen Mann zu verlieren.
Dieses Mal musste alles glattlaufen.
Anders als vor fünf Jahren hatte der Weiße Knecht nur ein paar Tage gehabt, um alles zu planen. Nicht lange genug, um sämtliche Gefahren auszuschließen. Dafür konnten seine Pläne nicht so schnell verraten werden. Dazu fehlte einfach die Zeit.
Nachdem die Entführung in allen Details durchgesprochen war, hatten sie sich sofort auf die Gäule gesetzt und waren nach Aurich aufgebrochen.
Es war ein guter Plan. Natürlich barg er einige Gefahren, denn niemals zuvor hatte sich der Weiße Knecht so weit in die Höhle des Löwen gewagt. Aber er versprach sich viel von diesem verzwickten Täuschungsmanöver. Die anderen würden erst triumphieren, sich als Sieger wähnen, sich auf die Schultern klopfen und überlegen grinsen, nur um kurze Zeit später erkennen zu müssen, dass man sie hereingelegt hatte.
Es sollte die Rache für damals sein. Und der Beginn einer neuen Ära.
»Eyke, nimm dir den Kutscher vor. Du solltest seine Kleider tragen. Und Tammo wird meinen Sekretarius geben. Bengt kann bleiben, wie er ist, er sollte sich aber gut im Fußraum der Kutsche verkriechen. Ihr anderen wartet hier und passt auf die Halunken auf, bis wir wieder da sind.«
Man reichte dem Weißen Knecht die Hose, danach das Hemd und die Jacke des Gesandten. Die Sachen saßen ein wenig zu locker, denn der Mann hatte sich während seiner politischen Laufbahn eine beachtliche Leibesfülle angefressen. Doch mit etwas Heu unter dem Hemd und am Hintern würde es gehen. Die alberne Lockenperücke vervollständigte das Bild.
»Darf ich mich vorstellen?« Der Weiße Knecht versuchte eine theatralische Verbeugung.»Dr. von Wolfenbüttel, subdelegierter Kommissar und herzoglicher Gesandter des Hauses Braunschweig, gekommen, um dem durchlauchtigsten Fürsten und seiner Gattin ein wunderbares neues Jahr zu wünschen! Außerdem habe ich Euch eine kleine, böse Überraschung mitgebracht … «
Die Augen des inzwischen bis auf die Leibwäsche Entkleideten weiteten sich.»Jetzt weiß ich, wer Ihr seid!« Er rappelte sich hoch und wich ein paar Schritte zurück, bis die unverputzte Wand ihn stoppte.»Der Weiße Knecht!«
»Sehe ich so aus? Glaubt Ihr, ein Rebell würde so stinkfeinen Zwirn auf der Haut und parfümiertes Kunsthaar auf dem Scheitel tragen?« Der Weiße Knecht übte, mit selbstherrlicher Miene, von links nach rechts zu schreiten. Die Verkleidung fing an, ihm Vergnügen zu bereiten.
»Ihr wollt Euch an meiner Stelle ins Schloss begeben. Der Gesandtenempfang ist Euer Ziel! Aber was habt Ihr dann vor? Ein Attentat?«
Statt einer Antwort bekam der Gefangene ein Büschel Heu ins Maul gestopft.»Es reicht mit dem Gerede!« Der Weiße Knecht trieb seine Leute an, die Kutsche zu besteigen. Dann trabten die Pferde los, als wären sie nie von jemand anderem am Zügel gehalten worden. Es kam jetzt nur noch darauf an, dass die
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