Die Inszenierung (German Edition)
dieser nichts als fatalen, eben tödlichen Situation reicher vor als je. Er liebt seine Frau. Daran, dass er seine Frau liebt, ist nicht zu zweifeln. Und er liebt diese andere Frau. Wenn seine Frau es will, ist er wieder so arm, wie er war, bevor er diese andere Frau sah. Alles findet statt, wie seine Frau es will. Die Welt ist ein Scheusal, das darauf wartet, dass er einen Fehler macht. Dann schlägt sie zu. Seine Frau hat bis jetzt dafür gesorgt, dass er den Fehler vermied. Die Welt ist der Hai, der zuschnappt, sobald wir bluten. Und jeder Zahn hat einen Namen, den ich nennen könnte.
Einer heißt Augustus.
Heißt keiner Gerda?
Das muss ich hoffen.
Gerda, ich weiß, was ich dir zu verdanken habe. In keiner Sekunde bin ich ohne das, was ich dir zu verdanken habe.
Augustus hört auf. Er erlebt offenbar, was für ihn auf dem Spiel steht. Das führt dazu, dass er plötzlich laut loslacht. Gerda ist irritiert. Und er lässt sein Lachen so plötzlich aufhören, wie es begonnen hat.
Anton Pawlowitsch, der Große! Vor dir, Gerda, muss ich meine uneinschränkbare Tschechow-Verehrung nicht verbergen. Anton Pawlowitsch, der Große, so berichtet Stanislawski – du weißt, der Regisseur, der die Möwe so inszenierte, dass man in London, Paris und Berlin darüber sprach –, Stanislawski berichtet: Tschechow allein war es gegeben, in einem Augenblick zu lachen, wo man es von ihm am wenigsten erwartet hätte. Als Stanislawski das aufschreibt, ist Tschechow schon 24 Jahre tot. Und als dieses immer überraschende Lachen stattfand, war er schon sehr krank. Tb. Ich bin nicht sehr krank. Ich weiß nicht, warum dieses Lachen plötzlich sein muss. Ich glaube, Tschechow hat es auch nicht gewusst. Eine Not. Ein Gefühl aussichtsloser Trostlosigkeit. Mach daraus, was du willst. Käthchen erscheint plötzlich als Kaisertochter. Vorher diese Serie von Misshandlungen. Dann auf einmal nur noch Gelingendes. Eine Glückshäufung! Diese Häufung des Glücks schwebt mir vor. Nur noch Glück zu häufen! Dass wir untergehen in nichts als Glück. Ach, Anton, ach, Heinrich, ach, Gerda. Du machst aus unserem Gespräch ein Casting. Du besetzt mich als Mann. Du bist der Mensch.
Dir genügt es ja, ein Mann zu sein.
Gerda, ohne deine Zustimmung bin ich … nichts. Ich liebe keinen Menschen, wie ich dich liebe. Wir sind in einander verflochten. Wir sind eins. Das ist es überhaupt. Wir sind zu sehr eins. Also haben wir nichts von einander.
Sprüche. Du weißt es, ich weiß es. Ich muss gehen. Ich habe noch einen Beruf. Enrico, siebenundachtzig, Sizilianer, will noch beweisen, dass er ein Nachkomme von Federico Secondo ist, dem Staufen-Kaiser in Palermo, und ich muss dafür sorgen, dass er lebt, bis er das geschafft hat. Seiner Kinder wegen erhebt er Ansprüche an die Hohenstaufen.
Und warum macht es mich fast glücklich, wenn ich wieder mitkriege, dass deine Sekretärin Lydia heißt?
Wie deine Assistentin.
Seit dreizehn Jahren.
Meine seit neun.
Muss das alles zerschlagen werden?
Dann zerschlag’s halt nicht, Scheusal.
Ich weiß.
Unmensch.
Oder ein Kind, Gerda! Nichts geben, nur nehmen! Alle sollen meine Eltern sein wollen! Alle sollen sich darum reißen, mich zu verwöhnen!
Sie hält ihm jetzt den Mund zu. Nach jedem Satz, den sie sagt, erneut. Er soll ihr nicht antworten können.
Du bist in Gefahr, Augustus.
Ich müsste dich schützen. Und vermag’s nicht.
Nimm mich mit, wohin du gehst.
Dass du für die Nachtschwester der Befreier bist, das musst du doch sehen.
Es spricht nicht gegen sie, wenn du nicht der Erste wärst, mit dem sie’s probiert.
Du bist nicht gemeint, Gust.
Sie hat ein Recht, dich zu benützen.
Vielleicht hat sie’s schon bei dem und jenem Millionär probiert.
Noch einmal: Sie hat ein Recht hinauszukommen.
Wenn dir das gleichgültig ist, dass sie dich gar nicht meint, nicht meinen kann, da sie ja nicht dich liebt, sondern das, was sie für deinen Ruhm hält, der für sie ein Versprechen ist, eine Aussicht auf Befreiung, wenn dir das recht ist, dann …
… dann soll es so sein. Dann bist du verloren. Adieu.
Sie geht. Geht fast zu schnell.
Gerda!! Typisch! Sie denkt nur an sich. So gleicht sie mir.
Er sinkt zurück aufs Bett, bleibt liegen.
Verloren? Ver-loren?? Was ist denn das für ein Wort? Ver-loren? Was heißt denn das? Ver-loren?!
Dann lacht er plötzlich, wie er gelacht hat, als Gerda noch da war. Dieses Lachen beendet er nicht so unversehens wie das Lachen vorher. Dann nur noch ein Wort.
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