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Die Inszenierung (German Edition)

Die Inszenierung (German Edition)

Titel: Die Inszenierung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Stacheldraht. Sie war bei mir. In der Sprechstunde.
    Ute-Marie?!
    Ja.
    Ute-Marie?!
    Ja!
    Wie heißt sie?
    Sie hat sich laut genug vorgestellt. Du hast laut genug von ihrem Nachnamen geschwärmt.
    Und warum in die Sprechstunde?
    Auf Krankenschein.
    Ja. Gut. Aber warum? Wenn es die ärztliche Schweigepflicht erlaubt.
    Ich finde es außerordentlich mutig von ihr. Und außerordentlich richtig. Sie wollte mit mir sprechen. Nicht nur über dich. Über dich auch. Aber nicht nur. Sie wollte wissen, wie es mir geht. Jetzt.
    Und? Was ist herausgekommen bei diesem Gespräch?
    Zum Beispiel, wie du auf sie wirkst. Wie sie dich sieht.
    Das hat sie dir gesagt?
    Das kam heraus. Unwillkürlich. Zum Beispiel: dass du unheimlich unterhaltsam seist. Dass sie noch nie einen Mann kennengelernt habe, der so unterhaltsam gewesen ist.
    Unterhaltsam?
    Das war ihr Wort. Und: Solche Männer wie Augustus Baum nenne man in ihren Kreisen, wenn es sich um jüngere handle, Draufgänger.
    Draufgänger?
    Genau so. Auch Charmeur kam vor. Einmal sogar Hallodri. Aber da war sie sich nicht ganz sicher, ob du das tatsächlich seist, ein Hallodri. Das wollte sie dann lieber nicht gesagt haben. Und – das war vielleicht die Hauptsache – dass sie natürlich keine Schauspielerin sei. Dass du sie zu einer Schauspielerin machen willst, fand sie umwerfend. Dass du ihr das einreden willst, fand sie lieb, fand sie hinreißend, vor allem fand sie es umwerfend.
    Einreden! Ich habe ihr gesagt, dass ihre Hemmungen ein Kapital sind. Wer nämlich diese Hemmungen nicht hat, wer überall und immer sagen kann, was er will, der ist tatsächlich nicht geeignet, Schauspieler zu werden oder zu sein.
    Sie wirkte auf mich allerdings ziemlich hemmungslos.
    Du meinst, weil sie dir aus lauter Unsicherheit ein paar Sächelchen gesagt hat, um dich zu provozieren, um von dir etwas über mich zu erfahren, deshalb sei sie hemmungslos. Gerda, du bist, glaube ich, hereingefallen auf Ute-Marie Wiese. Dir darf es fremd sein, wie ich über den Beruf des Schauspielers rede.
    Jetzt bist du wieder kulturell überheblich.
    Streiten wir nicht darüber. Ute-Marie Wiese hat alles, was nötig ist, um Schauspielerin zu werden. Ich sage nicht, sie sei eine große Schauspielerin. Es kommt darauf an, dass jemand Schauspieler werden kann. Groß oder nicht groß, das ist konventioneller Tratsch. Ich kann nach ruhigster Prüfung sagen, sie kann eine Schauspielerin werden. Erinnere dich, ich habe bei keiner meiner Affären, wie du das zu nennen beliebst, gesagt, es handle sich um eine Schauspielerin. Um nur die letzten drei zu nennen! Ich zerre nicht Frauen auf die Bühne, um sie bequemer besitzen zu können. Dazu ist mir die Bühne ein zu seriöser Ort. Mir ist die Bühne heilig. Entschuldige. Nichts ist mir fremder, als Ute-Marie aus ihrem unerfüllten Dasein heraus- und in ein unverantwortbares Theaterabenteuer hineinzureden. Gerda, Schicksal! Es gibt noch Schicksal! Das allerdings glaube ich schon.
    Sie hat mir, ich muss schon sagen: gestanden, dass ihre Heirat mit ihrem Verlobten jetzt plötzlich nötig werde. Er ist ja ein Software-Spezialist, hat offenbar einen Auftrag, in Schweden für den Radisson-Konzern ein Programm zu entwerfen. Ein Jahr in Schweden. Dazu will er seine Verlobte mitnehmen. Deshalb müssen sie schneller heiraten, als sie wollten. Nämlich jetzt gleich. Hörst du? Sie hat erstaunlich offen und klug über ihren Verlobten geredet. Dass er sie anders liebt als sie ihn. Dass sie auch Nachtschwester geworden sei, um mit ihm, den sie doch liebt, seltener schlafen zu müssen. Diese Erfahrung verdankt sie Vinze, dass man jemanden lieben und nicht lieben könne. Zur gleichen Zeit. Allmählich habe sie doch erfahren, dass ihr Vinze ein Goldstück sei. Anders könne sie es nicht sagen. Und die Erfahrung mit dir sei ihr da sehr wichtig geworden. Das allerdings hat sie dann nicht näher ausgeführt. Sie möchte die Erfahrung mit dir nicht missen. Hat sie gesagt. Du seist für sie, nach Vinze, der wichtigste Mann. In ihrer Erfahrung.
    Augustus kann nicht antworten. Statt einer Antwort dann sein von Tschechow gelerntes plötzliches Lachen.
    Entschuldige. Das ist wieder dieses Lachen. Von Anton Pawlowitsch. Ein Jahr nach Schweden. Gerda, das ist ein guter Einfall. Auch wenn er zu nichts führt. Ein Jahr nach Schweden. Ach, Gerda. Wenn das ginge! Wenn das noch ginge! Ich muss zur Zeit oft an Hans Georg denken. Der ist geflohen oder vertrieben worden nach Amerika. Ursula, du erinnerst dich,

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