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Die Intrige

Titel: Die Intrige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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gemacht hatte. Warum tat er es dann nicht? Warum bat er sie um Erlaubnis? Irgendwie bewog die Tatsache, dass er ihnen die Wahl ließ, Jonas dazu, ihm zu glauben. Aber was war, wenn HK das wusste und sie nur gefragt hatte, um sie hereinzulegen?
    Jonas schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen.
    »Ich frage Chip und Alex, was sie davon halten«, sagte er bestimmt. »Und ob es für sie okay ist, wenn wir sie für eine Weile verlassen.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte HK. »Wirklich, das ist keine gute –«
    Dann verstummte er, denn Jonas steckte den Definator in die Tasche und stand auf.
    »Das dürfte nicht lange dauern«, sagte er mit vorgetäuschter Zuversicht zu Katherine. Seine Schwester starrte ihn mit großen Augen an.
    »Ich komme mit«, sagte sie.
    Auf Zehenspitzen huschten sie zurück in die Kammer der königlichen Familie. Das war nicht einfach, denn der Boden war mit geflochtenen Binsenmatten bedeckt, die leicht raschelten. Doch Chip und Alex schienen sie weder zu hören noch kommen zu sehen.
    Die beiden aßen gerade und stopften sich händeweise Beeren und Körner in den Mund – vielleicht die mittelalterliche Version von Knuspermüsli. Jonas war nie ein großer Freund von Müsli gewesen, aber im Moment erschien es ihm ebenso verlockend wie Pizza. Waren Chip und Alex noch nicht auf die Idee gekommen, dass er und Katherine vielleicht auch am Verhungern waren? Machten sie irgendwelche Anstalten, etwas von dem Essen aufzuheben, um es ihnen später zu geben, wenn die Königin und die Prinzessinnen nicht hinsahen?
    Die Antwort darauf war ein klares Nein. Die Jungen warfen Erdbeeren in die Luft und fingen sie unter großem Getue mit dem Mund wieder auf. Auf diese Weise ließ sich kein Essen verstecken. Es war fast so, als wollten sie damit angeben, dass sie etwas zu essen hatten und Jonas und Katherine nicht.
    Nur wenige Zentimeter von Chips Ohr entfernt blieb Jonas stehen.
    »Chip, hör zu«, flüsterte er hastig. Er hoffte, ihm alles mitteilen zu können, was notwendig war, bevor ihm eine verirrte Erdbeere auf den Kopf fiel und es aussah, als würde sie mitten in der Luft einen Haken schlagen. »Lass dir eine Ausrede einfallen, damit du und Alex für ein paar Minuten fortkönnt. Sagt, ihr müsstet zur Toilette oder so etwas.«
    Chip wandte Jonas den Kopf zu, doch seine blauen Augen starrten auf einen Punkt weit hinter ihm. Dann fing er mit dem Mund eine Beere auf und sah wieder in die alte Richtung. Er wirkte ebenso ahnungslos wie das Dienstmädchen und die Männer mit den Fackeln im Tower von London. Und er schien ebenfalls mitten durch Jonas hindurchzusehen.
    Jonas spürte, wie sich sein Herz vor Angst zusammenzog.
    »Chip? Kannst du mich hören?«, flüsterte er. »Gib mir irgendwie zu erkennen, dass du weißt, dass ich da bin. Zwinkere dreimal oder … oder …«
    Chip zwinkerte nicht.
    »Du tust nur so, nicht?«, flehte Jonas. »Weil die Königin und die Prinzessinnen zusehen? Ist schon in Ordnung, das verstehe ich, aber …«
    Es war kaum auszuhalten, einfach nur dazustehen und darauf zu warten, dass Chip reagierte. Jonas packte ihn am Arm. Obwohl Chips rotes Sweatshirt durchdie mittelalterliche Kleidung seines Markers noch schwach zu sehen war, fühlte Jonas nichts als steifen Samt. Er packte fester zu.
    Chip schien nichts zu merken.
    »Hilf mir, Katherine«, flüsterte Jonas eindringlich.
    Katherine packte Chip am anderen Arm. Jonas hatte ihr nicht genau gesagt, was sie tun sollte, doch sie begann zu ziehen, als wäre sie wild entschlossen, Chip von seinem Marker zu trennen. Jonas dachte nicht mehr an die Königin und die Prinzessinnen auf der anderen Zimmerseite. Auch er begann an Chip zu ziehen.
    Dann hielt er plötzlich nichts als Luft in den Händen.

Vierundzwanzig
    Chip war fort. Alex ebenfalls. Genau wie ihre Sessel, die geflochtenen Binsen auf dem Boden und die steinernen Wände. Jonas sah sich um, weil er feststellen wollte, ob auch Katherine fort war, doch zum Sehen brauchte man Licht, und selbst das war innerhalb eines Sekundenbruchteils verschwunden.
    Gleich darauf jedoch – wer konnte schon sagen, ob es eine Sekunde oder eine Ewigkeit dauerte? – fühlte sich Jonas wie in Licht gebadet. Obwohl er sich nicht bewusst war, sich bewegt zu haben, saß er mit einem Mal. Seine Beine ragten aus einem seltsam geformten Sessel und sein Rücken wurde von weichen Kissen gestützt. Er wandte den Kopf. Katherine saß in einem anderen Sessel neben ihm. Dann schaute er wieder in die vorherige

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