Die Intrige
stattgefunden haben«, flüsterte Katherine.
Jonas sah, dass die Marker sich nicht mehr lachend und kichernd auf dem Bett wälzten. Der Marker der Königin hatte den gleichen Ausdruck vornehmer Trauer wie die Königin selbst.
»Wir werden obsiegen«, sagte die Königin mit hoch erhobenem Kopf. »Das Recht ist auf unserer Seite.«
Wie ein Echo formten die Lippen der Markerkönigin auf dem Bett die gleichen Worte. Die Markerprinzessinnen saßen wie Statuen neben ihr.
»Ihr habt mir gefehlt, Mutter«, sagte Alex und schlang die Arme um ihre Hüften. »Ihr wisst immer das Rechte zu tun.«
Alex konnte das Gesicht seiner Mutter nicht sehen, weil er den Kopf in ihrem Rock vergraben hatte. Aber Jonas sah, wie ihre Mundwinkel zitterten und sich Schmerz und Furcht ihres Blickes bemächtigten.
»Ich kann das nicht mit ansehen«, murmelte Katherine. »Das ist wie bei einem Holocaustfilm, bei dem man von Anfang an weiß, dass alle sterben müssen.«
Sie zog ihren Bruder vom Türrahmen fort, sodass auch er nichts mehr sehen konnte.
Jonas versuchte sich über etwas klar zu werden.
»Sie werden sowieso alle sterben«, sagte er. »Sie haben mehr als fünfhundert Jahre vor unserer Geburt gelebt.« Dann fiel ihm ein, dass er eigentlich gar nicht wusste, in welcher Epoche er selbst geboren war. »Jedenfalls vor deiner Geburt.«
»Aber spürst du das denn nicht, in diesem Zimmer?«,fragte Katherine. »Es ist, als würde sich etwas ganz, ganz Schlimmes zusammenbrauen.«
Jonas spürte es. Das sind Vorahnungen, wollte er erwidern. So nennt man das, was wir spüren. Aber was half es, die richtigen Begriffe zu kennen. Was hier zählte, waren Taten.
»Wir haben versprochen, Chip und Alex zu retten«, murmelte er. »Wir haben es versprochen.«
»Und warum retten wir nicht auch die Prinzessinnen?«, fragte Katherine. »Warum haben Gary und Hodge sie nicht auch entführt, als sie Chip und Alex gekidnappt haben? Weil sie Mädchen sind und keine Jungs?«
Jonas ging Katherines Argwohn, alle hegten Vorurteile gegen Mädchen, langsam auf die Nerven.
»Gary und Hodge haben jede Menge gefährdeter Mädchen aus der Geschichte entführt«, wandte er ein. »Hast du das vergessen? In der Höhle waren genauso viele Mädchen wie Jungen. Vielleicht … vielleicht sind die Prinzessinnen nicht in Gefahr, sondern nur Chip und Alex.«
Katherine ballte die Fäuste.
»Es macht mich verrückt, nicht zu wissen, was passieren wird. Was passieren
soll,
meine ich«, sagte sie.
»Das ist nicht anders als im normalen Leben«, sagte Jonas. »Wer weiß schon, was die Zukunft bringt?«
Katherine funkelte ihn böse an.
»Du weißt, was ich meine«, sagte sie. »Ich bin darangewöhnt, dass die Zukunft die Zukunft ist und nicht, dass die Vergangenheit die Zukunft ist. Oder … na, du weißt schon. Es ist einfach komisch, dass die Zukunft schon mal stattgefunden hat, wir aber nicht wissen, was passiert ist. Äh, was passieren wird.« Sie verhedderte sich dermaßen in den Zeitformen, dass sie es aufgab. Sie schluckte. »Wie sollen wir Chip und Alex retten, wenn wir gar nicht wissen, wovor wir sie retten sollen?«
Schließlich sind wir davon ausgegangen, dass wir sie schon gerettet hätten, dachte Jonas benommen. Sein Magen begehrte auf. Was wäre gewesen, wenn sie der Königin erschienen wären, bevor sie Chips und Alex’ Marker entdeckt hatten? Wenn es ihnen gelungen wäre, sie davon zu überzeugen, dass ihre Söhne tot waren? Was wäre, wenn König Richard III. irgendetwas anders machte, weil ihm die Jungen in der Kathedrale als »Geister« erschienen waren? Warum hatte es den Anschein, als ob alles, was sie taten, die Zeit durcheinanderbrachte?
»Vielleicht hat HK doch recht gehabt«, murmelte Jonas. »Vielleicht ist es wirklich gefährlich, dass wir hier sind.«
»HK, oh Mann!« Katherine richtete sich plötzlich kerzengerade auf und schlug mit dem Kopf fast gegen die Wand. »Er hat also doch nicht gewollt, dass Chip und Alex zu Tode stürzen! Er hat uns gar nicht hintergangen!«
Jonas starrte sie an. Sie hatte recht. Die Vorstellung,dass HK Chip und Alex den Tod wünschte, hatte sie so empört, dass sie ihm keine Chance für eine Erklärung gegeben hatten. Chip hatte ihn abgeschaltet und den Definator durchs Zimmer geschleudert. Und dann hatten sie ihn stumm geschaltet.
Jonas kramte das Gerät aus seiner Tasche. Er rechnete damit, dass es wieder ganz und gar unsichtbar sein oder bestenfalls immer noch auf UNSICHTBARKEIT? J/N stehen würde. Doch es
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