Die Intrige
achselzuckend. »Du siehst besser aus. Schön, dass du heute aufstehen konntest.«
Irena lächelte, als sich die Jungen in weichen Ledersesseln niederlieÃen und die Schwester ihnen einen Teller Schokoladenkekse auf den Couchtisch stellte.
»Ich fühle mich grauenvoll«, bekannte Irena. »Aber es ist nett, dass du mir schmeichelst, Andre. Wenn nur dein Vater nicht so streitsüchtig wäre!«
»Hattet ihr wieder Streit?«, fragte Andre.
Irena schlug auf das Lederkissen neben sich.
»Wenn ich tot bin, wird Leonid wohl der Boss unseres Clans werden, aber noch bin ich am Leben!«
Lächelnd schüttelte Andre den Kopf.
»Ich wette, du wirst auch noch lange leben.«
»So viel Schmeichelei!«, erwiderte Irena. »Du willst doch etwas von mir?«
Andre war bei seiner GroÃmutter aufgewachsen und konnte sich ganz zwanglos mit ihr unterhalten, aber Ethan hatte sie bis vor vier Monaten, als er in Bischkek angekommen war, nur sehr selten gesehen. Er fühlte sich in Gegenwart des alten Mädchens unwohl und konzentrierte sich darauf, sich mit Schokoladenkeksen vollzustopfen, bis er der Meinung war, dass er gehen konnte, ohne unhöflich zu wirken.
»Ich muss noch ein paar Hausaufgaben machen«, log er, als er sich erhob. »Vielen Dank für die Kekse, GroÃmutter.«
»Es ist mir immer eine Freude, dich zu sehen, Ethan«, sagte Irena liebevoll. »Du bist hier aber immer noch nicht glücklich, nicht wahr?«
Ethan brachte es nicht übers Herz, seiner kranken GroÃmutter zu sagen, dass er ihr Zuhause für den gröÃten Misthaufen der Welt hielt, daher zuckte er nur mit den Achseln und sagte: »Es ist so völlig anders als das, was ich gewohnt bin.«
Irena zog eine Augenbraue hoch.
»Es ist bestimmt nicht Kalifornien, nicht wahr?«, sagte sie und unterdrückte ein Lachen, das sie doch nur hätte husten lassen. »Deine Mutter ist hier verschwunden, sobald sie alt genug dazu war, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich für dich eine Zukunft im Kreml gewünscht hätte. Ich habe dir ein paar Papiere aufs Zimmer legen lassen. Sieh sie dir an und sag mir, was du davon hältst.«
5
Die drei Kinder teilten sich auf. Ning blieb am Strand und bereitete aus trockenem Schilf und Treibholz ein Feuer vor. Dazu benutzte sie die Aluminiumkiste in der Hoffnung, dass sie die Hitze reflektieren würde und das Feuer heiÃer wurde, damit sie eine bessere Chance hatten, das Glas um die T-Shirts herum zu schmelzen.
Daniel und Leon gingen indessen auf die Suche, jeder an einer Seite der Insel entlang, in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, mit dem sie das Glas zerschmettern konnten, oder vielleicht sogar ein bis drei leichter zugängliche T-Shirts zu finden. Doch nach einer halben Stunde waren sie wieder zurück und keiner der beiden Zwillinge sah begeistert aus.
»Nichts?«, fragte Ning.
Leon schüttelte den Kopf. »Ich habe überall nachgesehen. Die Insel ist vielleicht fünfhundert mal achthundert Meter groÃ. Hauptsächlich wachsen hier kleine Bäume und Büsche, es gibt auch ein paar kleine Höhlen, die nichts ergeben haben. Das Einzige, was ich gefunden habe, waren ein paar rostige Bolzen und jede Menge verschossene Munition und Patronenhülsen.«
Bei Daniel war es fast das Gleiche. »Ich habe nur einen alten Turm mit ein paar Kanonen gefunden. Damit hat man sich früher wohl gegen Eindringlinge gewehrt.«
Ning nickte nachdenklich, dann erklärte sie, was sie am Strand getan hatte.
»Wir zünden das Feuer in der Metallkiste an. Aber wenn das Glas anfängt zu schmelzen, könnten die Flammen die T-Shirts verbrennen, wir müssen sie also schnell herausziehen können.«
Die Zwillinge nickten, um zu zeigen, dass sie verstanden hatten, und Ning fuhr fort:
»Ich habe also ein Seil um die Kiste gebunden und hier sind ein paar lange Stücke Treibholz. Wenn das Experiment funktioniert und das Glas in der Hitze zu schmelzen beginnt, ziehen wir am Seil, um die Kiste umzuschmeiÃen, und dann schubsen wir den Glasklumpen mit den Stöcken aus den Flammen. Ich habe meine wasserdichte Rucksackhülle mit Wasser gefüllt, damit wir das Feuer löschen können.«
»Aber wenn du das Glas nicht schmelzen lässt, kriegen wir die T-Shirts nie da raus!«, wandte Leon ein.
Die Zwillinge lieÃen keine Gelegenheit aus, einander zu zeigen, dass sie klüger
Weitere Kostenlose Bücher