Die Invasion - 5
schlicht keine Seitenstraßen. Hier gibt es höchstens Trampelpfade oder kleine Wege, und die verwechselt niemand mit der Hauptstraße.«
»Und wir haben noch zwei oder drei Stunden Tageslicht«, merkte Haimyn an.
»Genau.« Clareyk blickte über die Schulter hinweg zu einem grauhaarigen Mann in der Uniform eines Sergeant Major. »Mahk?«
»Jawohl, Sir?«, erwiderte Brigade Sergeant Major Mahkynty Dragonmaster sofort.
»Suchen Sie mir einen Meldegänger! Und dann finden Sie heraus, wo genau sich Colonel Zhanstyn gerade befindet, damit wir wissen, wohin wir diesen Boten überhaupt schicken müssen.«
»Aye, Sir!« Dragonmaster straffte die breiten Schultern, als er kurz Haltung annahm. Dann wandte er sich mit entschlossener Miene von den beiden Brigadiers ab.
»Ich werde Zhanstyn weiter vorausschicken«, fuhr Clareyk fort, nachdem er sich wieder Haimyn zugewandt hatte. »Wenn er seine Leute ein bisschen antreibt, sollte er in der Nähe dieser Ortschaft deutlich offeneres Gelände erreichen können, noch bevor die Sonne untergeht. Und wenn wir Gahrvais Absichten richtig eingeschätzt haben, wird der ziemlich viel Geduld an den Tag legen. Er wird Zhanstyn und seine Leute nicht sofort angreifen, sobald die ersten aus den Wäldern herauskommen, weil er mehr von uns in diese Falle locken will. Vielleicht wird er ein paar Vorposten aufgestellt haben, damit es zu ein paar kurzen Scharmützeln kommt - in der Hoffnung, uns dazu zu bewegen, dort das Nachtlager aufzuschlagen oder zumindest langsamer vorzurücken. Aber möglicherweise tut er nicht einmal das. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass er sich damit zufriedengeben wird, ein paar Kundschafter weit vor seine eigenen Linien zu schicken, die ihn einfach nur warnen sollen, wenn wir kommen. Und dann wird er abwarten, bis wir den Kopf weit genug in die Schlinge gesteckt haben, bevor er sie zuzieht.«
»Sehr verschlagen von ihm«, kommentierte Haimyn trocken.
»Ich möchte ihn lieber für den schlausten unter den Füchsen halten, als den dummen Fehler zu begehen, ihn in seiner Verschlagenheit zu unterschätzen.«
»Ach, ich beklage mich ja gar nicht!«, versicherte Haimyn ihm.
»Gut. Ich möchte, dass Zhanstyn so rasch er kann bis zum Waldrand vor dem offeneren Gelände vorrückt, das wir dort hinten vermuten. Aber danach soll er die Truppen nur noch ein Stückchen weiter marschieren lassen und dann den Eindruck erwecken, als solle ein Nachtlager aufgeschlagen werden. Sobald es dann dunkel ist, setzt er seine Leute wieder in Marsch und ...«
»Also gehen sie es etwas langsamer an, ja?«, murmelte Koryn Gahrvai vor sich hin.
Vor anderthalb Stunden war die Sonne untergegangen, und nun summten und schwirrten Insekten um die Laternen, mit denen er die Veranda seines Gefechtsstandes erleuchtete. Von seinem längeren Ritt zusammen mit Windshare und Doyal schmerzten Gahrvai ein wenig die Oberschenkel. Trotzdem hatte sich diese persönliche Erkundung des Geländes eindeutig gelohnt. Jetzt hatte er das ganze Terrain rings um die Haryl-Priorei und Haryl's Crossing deutlich vor Augen. Während des Ausritts hatte er sich gefragt, wer wohl dieser Haryl gewesen sein mochte, der in dieser Gegend so großzügig mit seinem Namen gewesen war. Diese Frage, die reiner Neugier entsprang, hatte jedoch auf seiner ›Liste der Dinge, die es noch zu erkunden gibt‹ keinen sonderlich hohen Stellenwert eingenommen.
Nun saß Gahrvai in einem bequemen Korbstuhl, nagte an einer gebratenen Hühnerbrust und bemühte sich nach Kräften, mit den Fingern keine Fettflecken auf der Karte zu hinterlassen, während er die letzten Depeschen von Windshares berittenen Vorposten durchging.
Alyk kann wirklich stolz auf sich sein, dachte Gahrvai. Er ist ja vielleicht nicht der hellste Stern am Himmel, aber er vermag, weiß Langhorne, den Verstand, der ihm gegeben ist, gut anzusetzen!
Mittlerweile hatte Gahrvai nur noch eine einzige Nachricht durchzuarbeiten. Er las sie ebenso konzentriert wie die ersten. Dann reichte er einem Mitglied seines Stabes das Tablett mit den Schriftstücken und legte nachdenklich die Stirn in Falten.
Es wäre mir deutlich lieber, wenn die weitergezogen wären, gestand er sich selbst ein. Wenn die Berichte der Kavallerie zutreffend sind, ist das nicht einmal ein Drittel, vielleicht sogar nur ein Viertel der feindlichen Gesamtstärke. Und wenn man bedenkt, wie mies das (Gelände ist, das der Feind gerade durchquert, könnte es sehr gut sein, dass wir seine Truppenstärke
Weitere Kostenlose Bücher