Die Invasion - 5
das glaube ich auch.«
»Ja. Na ja, irgendwie bezweifle ich, dass Seine Majestät, der Kaiser, uns eine derartig persönliche Nachricht hätte zukommen lassen, wenn er sich nicht ziemlich sicher wäre, dass, nennen wir es: seine Vermutung zutrifft.«
»Sie meinen Seijin Merlins ›Vermutung‹, nicht?«, setzte Haimyn mit leiser Stimme nach.
Der Blick, der Clareyk ihm zuwarf, besaß eine beachtliche Schärfe, und der andere Brigadier stieß ein kurzes Schnauben aus.
»Vergessen Sie bloß gleich, dass ich das gesagt habe!« Haimyn schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich geht mich das auch überhaupt nichts an. Aber nur so zwischen uns: Sie werden Seiner Majestät gegenüber vielleicht erwähnen wollen, dass ich nicht der Einzige bin, dem aufgefallen ist, wie viele Dinge sich ziemlich genau seit dem Zeitpunkt geändert haben, da dieser Seijin in Charis eingetroffen ist.«
»Ach?«
»Ich will mich keineswegs beklagen!«, versicherte Haimyn ihm. »Es war verdammt gut, dass er aufgetaucht ist. Ich dachte nur, Sie würden das vielleicht Seine Majestät gerne wissen lassen.«
»Auch wenn Sie das vielleicht nicht glauben mögen, Mahrys«, erwiderte Clareyk milde, »verbringe ich in Wirklichkeit nicht meine ganze Freizeit ständig in freundschaftlichem Gespräch mit dem Kaiser. Und auch nicht mit Seijin Merlin.«
»Natürlich nicht«, pflichtete Haimyn ihm höflich bei. Dann deutete er mit dem Kinn erneut auf die Depesche, die Clareyk immer noch in der Hand hielt. »Und in der Zwischenzeit?«
»In der Zwischenzeit überlegen wir uns, wie wir vorgehen sollten, falls wir tatsächlich auf unfreundliche Zeitgenossen stoßen.«
»Fein. Und um ganz ehrlich zu sein: Ich würde es vorziehen, wir suchten uns ein anständigeres Terrain.« Haimyn deutete auf die dicht verwachsenen Bäume und das kaum zu durchdringende Unterholz, das sie hier umgab. »Ich weiß, dass das hier ein gutes Gelände ist, um sich zu verteidigen. Aber aus dem Blickwinkel eines Gewehrschützen ist das Gelände eigentlich ziemlich jämmerlich.«
Clareyk lachte ein wenig. Die knappe Beschreibung traf gänzlich zu. Sie entsprach sogar seiner eigenen Einschätzung ganz und gar.
Derzeit standen Clareyks und Haimyns Marines auf einer Lichtung. Man hätte auch sagen können: einer etwas breiteren Stelle auf diesem Holperpfad, der zwischen Dairos und Manchyr als ›Königliche Landstraße‹ bezeichnet wurde. Wenn man ehrlich war, musste man wohl zugeben, dass diese so genannte Straße für den Verkehr, der üblicherweise hier entlangkam, durchaus ausreichte. Nur gehörten zu diesem ›üblichen Verkehr‹ eben keine ganzen Armeen. Arbeitskommandos waren den ganzen Tag über damit beschäftigt, den Weg zu verbreitern, das tief hängende, wild wuchernde Blätterdach zurechtzustutzen und die schlimmsten Schlaglöcher aufzufüllen. Aus diesem Grund stellte der nicht gerade prächtige Zustand der Landstraße nicht annähernd ein so großes Problem dar, wie das vielleicht für General Chermyns Hauptarmee der Fall sein dürfte. Bedauerlicherweise waren Clareyks und Haimyns Marines insgesamt kaum viertausend Mann. Träfen sie also auf eine ernst zu nehmende Anzahl Corisandianer, wäre es durchaus möglich, dass es ihnen ein wenig an Feuerkraft gebrach.
Und wenn wir unter Beschuss den Rückzug antreten müssen, wird es nicht gerade hilfreich sein, dass es hier nur eine einzige Straße gibt, dachte er.
»Also gut«, entschied er schließlich. »Laut dieser Karte hier ...«, er tippte mit dem Finger darauf, »liegt in nur wenigen Stunden Fußmarsch entfernt ein größeres Dorf oder kleinere Stadt. Zudem sieht es so aus, als befinde sich südwestlich der eigentlichen Ansiedlung auch noch ein beachtlich großes Kloster oder eine Priorei oder dergleichen. Ich denke, wenn dort draußen wirklich Leute leben, dann muss es da doch auch freie Felder geben, meinen Sie nicht?«
»Wahrscheinlich.« Auch Haimyn blickte jetzt auf die Karte. »Ich wünschte, wir hätten bessere Informationen über die Höhenlinien«, sprach er weiter und fuhr mit der Fingerspitze über die Landkarte. »Zumindest sieht es so aus, als liege das Gelände auf der anderen Seite des Flusses deutlich höher.« Er verzog das Gesicht. »Ist wahrscheinlich auch nicht dumm, das anzunehmen. Schließlich marschieren wir geradewegs auf die Berge zu. Wenn ich der Kommandierende der Gegenseite wäre und nach einem Terrain Ausschau halten müsste, das sich gut verteidigen ließe, würde mir das durchaus
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