Die Invasion - 5
ihr bewusst, dass Gray Harbor durchaus Recht hatte, sich darum zu sorgen, was explosive Granaten den Galeonen des Admirals hätten antun können.
Oder den Schiffen eines anderen Admirals in der Zukunft vielleicht noch antun werden, dachte sie, nun deutlich grimmiger.
»Ich verstehe, was Sie meinen«, wiederholte sie lauter. »Andererseits hat mir Cayleb bereits etwas ganz Ähnliches gesagt.« Nun war es an Gray Harbor, fragend eine Augenbraue zu heben, und sie zuckte mit den Schultern. »Er hat gesagt, wenn die Peitschenechse erst einmal aus dem Ei geschlüpft sei, dann habe man nur noch die Wahl, auf ihr zu reiten oder sich fressen zu lassen. Also haben wir eigentlich nur die Wahl, dass wir diejenigen sind, die derartige Neuerungen einführen, oder auf die harte Tour herauszufinden, dass jemand anderes das bereits getan hat.«
»Zu mir hat er ziemlich genau das Gleiche gesagt, und ebenso auch ... Seamount.« Einen kurzen Moment lang hatte Sharleyan das sonderbare Gefühl, Gray Harbor habe eigentlich einen anderen Namen aussprechen wollen, und erst im letzten Moment sei ihm der Commodore eingefallen. »Und ich nehme an, beide haben damit Recht«, fuhr er fort, bevor Sharleyan nachbohren konnte. »Und selbst wenn nicht, können wir es uns nicht leisten, irgendwelche Vorteile außer Acht zu lassen, wenn unsere Chancen so schlecht stehen. Also sage ich meinen Albträumen immer wieder, sie sollen mich gefälligst in Ruhe lassen, und versuche mich ganz darauf zu konzentrieren, welche unschöne Überraschung das für jemand anderen werden wird - zumindest beim ersten Mal, wenn wir so ein Ding zum Einsatz bringen.«
»Ich hoffe, einige der anderen Überraschungen des Barons leisten Cayleb in Corisande gute Dienste.« Plötzlich klang Sharleyans Stimme dunkler, düsterer und tiefer. Gray Harbor blickte zu ihr herüber. »Ich weiß, ich sollte das eigentlich nicht tun, aber ich mache mir wirklich Sorgen um ihn«, gestand sie.
»Gut«, gab er ebenso leise zurück und lächelte angesichts ihres erstaunten Gesichtsausdrucks. »Eure Majestät, ich denke, was Cayleb und Ihr füreinander empfindet, ist vielleicht eines der besten Dinge, die Charis jemals widerfahren sind. Macht Euch nur weiterhin um ihn Sorgen! Lasst Euch von Euren Ängsten nicht leiten, lasst Euch davon nicht beherrschen, aber versucht niemanden davon zu überzeugen, Ihr würdet Euch keine Sorgen machen - am wenigsten Euch selbst!«
»Ich werde versuchen, mir das zu Herzen zu nehmen, Mein Lord.« Sie streckte die Hand aus und drückte ihm in einer äußerst liebevollen Geste kurz den Arm. »Ich wünschte nur, Briefe bräuchten nicht so lange, um die Strecke zwischen hier und Corisande zurückzulegen.«
»Das geht mir ebenso. Aber bislang habt Ihr, wenn Ihr mir gestattet, das so auszudrücken, ausgezeichnete Arbeit dabei geleistet, in Caylebs Abwesenheit zu regieren.«
»Wie viele Fehler kann ich denn machen, wenn Ihre Ratschläge und die von Erzbischof Maikel mir immer wieder den richtigen Weg weisen?«, gab sie mit einem Lächeln zurück.
»Eure Majestät ...« Gray Harbors eigenes Lächeln schien eigentlich eher ein Grinsen zu sein. »Vergebt mir, aber Ihr seid eine bemerkenswert hartnäckige junge Frau! In vielerlei Hinsicht ist das für einen Regenten sehr gut, versteht mich recht. Also glaubt bitte nicht, ich wolle mich beklagen! Aber ich hege doch ernstlich die Vermutung, selbst wenn Maikel und ich uns gemeinsam gegen ein Vorgehen aussprächen, das Euch das richtige schiene, so würdet Ihr uns aufmerksam und höflich zuhören und dann ausgewählte Liebenswürdigkeit an den Tag legen, während Ihr uns erklärtet, dass wir so vorgehen, wie Ihr es vorgeschlagen hättet.«
Erst wollte Sharleyan den Kopf schütteln. Dann jedoch hielt sie inne. Sie kicherte in sich hinein.
»Ich bin froh, dass Sie die Gelegenheit hatten, Mahrak Sahndyrs kennen zu lernen, bevor Sie gemeinsam mit mir nach Hause zurückkehrten. Aber ich habe das sonderbare Gefühl, je besser Sie mich kennen lernen, desto mehr Verständnis werden Sie für Mahrak haben. Und umgekehrt genauso, dessen bin ich mir sicher. Er hat mir mehr als einmal gesagt, was Sturheit angeht, könne ich es mühelos mit einer zahnschmerzengeplagten Peitschenechse aufnehmen.«
Gray Harbor lachte leise. »Wie komme ich bloß auf den Gedanken, Ihr hättet, als Ihr noch ein Kind wart, genau gewusst, wie man einen wahrhaft königlichen Wutanfall hinlegt?«
»Was meinen Sie mit ›als Ihr noch ein Kind wart‹,
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