Die Invasion - 5
ziehen, sich dem Befehl des Großinquisitors zu widersetzen. Allerdings bezieht er sich in seinen Befehlen ausdrücklich darauf, wo ein Schiff registriert ist. Nirgends wird auf die Frage eingegangen, wo ein Schiff möglicherweise gebaut wurde, oder auch nur, woher seine Fracht ursprünglich stammen mag.« Wohlwollend lächelte Qwentyn seine Zuhörer an. »Mein eigenes Haus hat kürzlich einen Mietkauf-Vertrag unterzeichnet, durch den wir in den Besitz mehrerer Dutzend Handelsschiffe gelangt sind, die in Charis gebaut wurden. Da es hier um einen Mietkauf geht, liegt es ganz offensichtlich in unserem ureigensten Interesse, unsere Anteilsbeteiligung an diesen Schiffen zu sichern, insbesondere in diesen bewegten Zeiten. Entsprechend wurden die Registrierungen der Schiffe umgeschrieben, von den Häfen, in denen sie gebaut wurden, zu Häfen der Republik, auf dessen Gebiet ihre derzeitigen Eigner ihren Wohnsitz haben.«
Alle Anwesenden rissen erstaunt die Augen auf, als sie begriffen, was das bedeutete. Es stimmte: Die Befehle des Großinquisitors hatten ausdrücklich besagt, es seien alle Schiffe zu beschlagnahmen, deren Besitzer Charisianer seien. Wenn jedoch diese Schiffe nicht länger in Charis registriert waren und wenn ihre Eigner keine charisianischen Untertanen mehr waren, dann galten auch Vikar Zhaspahrs Befehle nicht mehr. Und dennoch ...
»Haben Sie diesen Mietkauf mit dem Offizium des Kanzlers besprochen?«, fragte der Gast mit dem charisianischen Akzent gedehnt.
»Es bestand keinerlei Notwendigkeit, den Kanzler wegen einer derartigen Routine-Transaktion zu Rate zu ziehen«, gab Qwentyn gelassen zurück. »Aber ganz offensichtlich ist sein Offizium sich dieser Transaktionen sehr wohl bewusst. Schließlich hat man dort mit äußerstem Wohlwollen und beachtlicher Geschwindigkeit auf unsere Bitte reagiert, die entsprechende Eintragung der Eigentumsrechte voranzutreiben.«
»Ich verstehe.«
Aber auch diese Eröffnung mussten der Charisianer und die anderen Gäste am Tisch erst einmal verdauen. Angesichts der Tatsache, dass die Schiffe selbst gänzlich nutzlos waren, so man nicht auch eine zugehörige Mannschaft hatte, und angesichts der Tatsache, dass eine Handelsmarine der Republik Siddarmark praktisch nicht existierte, ergab sich eine recht heikle Frage. Nach mehreren Sekunden einmütigen Schweigens räusperte sich ein weiterer Gast.
»Ich weiß sehr wohl anzuerkennen, dass Transaktionen, wie Sie sie gerade beschrieben haben, gleichzeitig den Wünschen des Großinquisitors entsprechen wie auch die erforderliche Grundlage legen, den unbedingt notwendigen Handel weiterhin aufrechtzuerhalten. Meine eigenen Anteilseigner könnten durchaus Interesse an ähnlichen Transaktionen haben. Aber leider können wir nicht auf einen Bestand ausgebildeter Seeleute zurückgreifen, die als Mannschaft fungieren könnten.«
»Tatsächlich hat das uns ebenfalls gewisse Schwierigkeiten bereitet«, pflichtete Qwentyn ihm bei und nickte ernsthaft. »Wir sind zu dem Schluss gekommen, die einfachste Lösung sei, sämtliche Seeleute, die wir noch benötigen, einfach anzuheuern. Tatsächlich waren die Verkäufer selbst so freundlich, uns mit Seeleuten in der nötigen Mannschaftsstärke auszuhelfen. Als einfachste Lösung hat es sich übrigens erwiesen, gleich die Besatzung anzuheuern, die uns die entsprechenden Schiffe geliefert hat. Die Mannschaft war zweifellos mit dem jeweiligen Schiff bereits bestens vertraut. Die Mehrheit der Männer hatte zudem keinerlei Bedenken, unter siddarmarkianischer Flagge zu fahren. Letztlich ist ein Schiff ja doch wie das andere, nicht wahr?«
Augenbrauen hoben sich. Es war nur allzu deutlich, dass dieser juristische Kniff, den Qwentyn gerade beschrieb, lediglich auf dem Papier einen Unterschied machte. Und wenn den hier Anwesenden das klar war, dann musste das doch auch für andere gelten. Die Gefahr, dass Zhaspahr Clyntahn nun ... nicht gerade glücklich sein würde, sobald er davon erführe, bestand zweifellos. Es war allerdings offenkundig, dass Qwentyn hier gerade als Kundschafter des Reichsverwesers selbst sprach. Und während es zweifellos richtig war zu behaupten, der Zorn des Großinquisitors und die Missbilligung der Ritter der Tempel-Lande sei wahrlich nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte, war es ebenso von Bedeutung, dass man sich hier in Siddarmark nun einmal in unmittelbarer Reichweite des Reichsverwesers befand. Nun, wo der Winter ins Land zog, war es sogar denkbar,
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