Die Invasion - 5
auch mildernde Umstände geltend machen können. Aber es bleibt dabei: Abgesehen davon, welche Gesetze des Kirchenrechts hier missachtet wurden, als eine weltliche Autorität das Urteil über geweihte Priester gesprochen hat und die Hinrichtung vollziehen ließ, war das, was Graivyr und den anderen widerfahren ist, ganz und gar angemessen für Anschuldigungen der Art, wie sie Cayleb hier erhoben hat. Das könnten wird nicht einmal abstreiten, wenn wir das wollten, und um ganz ehrlich zu sein: Wir wollen das gar nicht! Jedenfalls nicht im Augenblick.«
Clyntahns Blick verriet deutlich, dass er zumindest nicht mit dieser letzten Aussage einverstanden war. Zumindest nicht aus tiefstem Herzen. Doch er biss die Zähne zusammen, verkniff sich jeden Protest, und Trynair sprach weiter.
»Wir brauchen Zeit, den Krieg nach Charis zu tragen, die Zeit, die es braucht, bis unsere neue Flotte gebaut und bemannt ist«, meinte Trynair eindringlich. »Wenn wir morgen zum Heiligen Krieg gegen Charis aufriefen, ließe das jedoch den Tag, an dem wir tatsächlich den ersten Angriff beginnen könnten, nicht um eine Stunde näher rücken! Aber was wir in der Zwischenzeit tun können, das ist, unsere Position zu stärken, bevor wir zum Dschihad aufrufen. Rufen Sie eine Sonderkommission zusammen, die genau untersuchen soll, was in Ferayd nun eigentlich geschehen ist, Zhaspahr! Schauen Sie sich sämtliche Beweise an, einschließlich all dessen, was aus Charis kommt. Und wenn Ihre Sonderkommission zu dem Schluss kommt, Graivyr habe genau das getan, was man ihm zur Last legt - und wir beide wissen sehr wohl, dass genau das der Fall ist -, dann erklären Sie das auch öffentlich. Bestätigen Sie ganz offen, was geschehen ist, verleihen Sie im Namen des Offiziums der Inquisition Ihrer Bestürzung Ausdruck! Vielleicht sollten Sie sich selbst sogar öffentlich eine Buße auferlegen und ebenso mir und den beiden anderen - eine Buße dafür, dass wir Derartiges zugelassen haben. Letztendlich werden wir mit gestärkter moralischer Autorität aus dieser Sache hervorgehen, weil wir es gewagt haben, in einer solchen Zeit offen ein Fehlverhalten der Kirche einzugestehen.«
»Das gefällt mir nicht.« Es schien Clyntahn zu entgehen, dass er hier lediglich etwas wiederholte, das Trynair bereits mehrere Male ausgesprochen hatte. »Das gefällt mir ganz und gar nicht. Jetzt ist es an der Zeit, Stärke zu zeigen, nicht Schwäche!«
»Es ist an der Zeit, sich ebenso der Arglist zu widmen wie der offenen Konfrontation«, gab Trynair zurück.
»Das wird die letztendliche Konfrontation nur herauszögern.«
»Nicht unbedingt. Oder zumindest nicht sehr lange. Vergessen Sie nicht: Wir müssen immer noch eine Flotte bauen, bevor wir in irgendeiner Weise effektiv gegen Charis vorgehen können!«
Mehrere Sekunden lang wallte unverkennbar Zorn in Clyntahn auf, doch dann holte er tief Luft.
»Halten Sie das wirklich für notwendig?«
»Vielleicht ist es nicht absolut notwendig«, gestand Trynair ein, »aber es ist das Beste, was mir einfällt, um diesem Angriff der Charisianer die Schärfe zu nehmen. Ich weiß, dass Allayn und Sie, was den Zeitpunkt angeht, den Heiligen Krieg auszurufen, mit mir nicht einer Meinung sind. Und ich weiß, dass Rhobair schon die Vorstellung eines Heiligen Krieges als zutiefst verängstigend empfindet. Das hier scheint mir die beste Möglichkeit, selbst in der Hand zu haben, wann und wo die Kriegserklärung ausgesprochen wird. Damit haben wir die Initiative, und es gestattet uns zu erklären, die Moral stehe ganz auf unserer Seite. Schließlich werden wir dann der Welt gezeigt haben, dass wir bereit sind, in Erwägung zu ziehen, auch Diener von Mutter Kirche - als Individuen, Zhaspahr, nicht als Verkörperung von Mutter Kirche selbst! - könnten sich eines Verbrechens schuldig machen. Und wenn wir Graivyr und die anderen verurteilen, dann wird das ›mehr aus Kummer als aus Zorn‹ geschehen. Letztendlich werden wir sogar in der Lage sein, diese ganzen Ereignisse zu unserem Vorteil zu nutzen.«
»Wenn man das einen Vorteil nennen kann«, murmelte Clyntahn. Mehr als eine Minute lang schaute er nur schweigend geradeaus, starrte blicklos auf seinen Schreibblock. Dann zuckte er mit den Schultern.
»Also gut, Zhaspahr«, sagte er. »Wir versuchen es auf Ihre Weise. Wie Sie selbst sagen«, er entblößte die Zähne in einem Lächeln, das erstaunlich wenig Belustigung oder Herzlichkeit barg, »zeigen wir damit unsere Bereitschaft,
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