Die Invasion - 5
gründlich vorzugehen, um uns unserer Position ganz sicher sein zu können, bevor wir Anschuldigungen hervorbringen oder Behauptungen aufstellen.«
»Ganz genau«, pflichtete ihm Trynair bei und machte sich nicht einmal die Mühe, seine Erleichterung ob Clyntahns Einverständnis zu verbergen. »Glauben Sie mir, wenn das alle erst einmal begriffen haben und auch nicht mehr so schnell vergessen, haben wir im Kampf charisianische Propaganda gegen unsere einen gewaltigen Vorteil errungen!«
»Na, dann ...«, meinte Clyntahn. »Dann ist es wohl an der Zeit, dass ich Pater Dahnyld beauftrage, Abschriften von Graivyrs Berichten zu beschaffen. Schließlich brauche ich die ja wohl für die Untersuchung, oder nicht?«
.VI.
HMS Kaiserin von Charis,
Hannah Bay, Großherzogtum Zebediah
Wieder einmal stand Cayleb Ahrmahk auf dem Achterdeck der Kaiserin von Charis. Die Kolonnen seiner Galeonen durchpflügten die Gewässer vor Grass Island. Shoal Island lag beinahe dreißig Meilen weiter im Norden, und die breite Grass Reach erstreckte sich vor ihnen. Bis zum Hafen der Stadt Carmyn waren es noch fast neunzig Meilen. Cayleb musste sich sehr anstrengen, um das Gefühl, von den Landmassen eingeengt zu sein, abzuschütteln.
Das fiel ihm nicht leicht, obwohl sein Verstand ihm störrisch einzuflößen versuchte, es könne doch nicht so schwierig sein.
Caylebs Flaggschiff und das Geschwader, zu dem er mittlerweile wieder gestoßen war, befanden sich etwas mehr als 2600 Meilen südsüdwestlich der Cherry Bay. Das bedeutete, das lokale Klima war deutlich dem ähnlicher, das Cayleb gewohnt war. Wenn überhaupt, war es hier zu heiß. Rein technisch gesehen herrschte im Augenblick allerdings Winter. Denn sie befanden sich immer noch nördlich des Äquators - zwar nur eine Winzigkeit, aber immerhin. Doch das war nicht der Grund dafür, dass sich Cayleb unwohl fühlte.
Von West nach Ost maß die Hannah Bay beinahe 240 Meilen. Das war eine gewaltige Wasserfläche, vor allem, da die Imperial Charisian Navy praktisch die einzige Flotte war, die sich hier aufhielt. Dennoch: Es waren 470 Meilen von Carmyn bis zur Mündung des Talisman-Golfs. 470 Meilen zwischen der Hauptstadt von Zebediah und den Wasserweiten von Carters Ozean.
470 Meilen, die Cayleb sich tiefer und tiefer in die Umklammerung der gewaltigen, annähernd halbkreisförmigen Insel Zebediah hineinbewegte.
Es gefiel Cayleb ganz und gar nicht, derart weit von der offenen See entfernt zu sein. Für ihn, wie für praktisch jeden anderen Charisianer auch, bedeutete die offene See Sicherheit. Sie bedeutete auch Raum fürs Manövrieren, Raum zum Ausweichen, und sie war das Element, das Charis wirklich beherrschte ... und der Ort, an den die weniger gewandten Matrosen der anderen Länder sich nur auf eigene Gefahr wagten.
Jetzt stell dich nicht an wie ein altes Weib, Cayleb!, schalt er sich selbst. Offene See! Also wirklich! Wie soll man denn Tausende von Quadratmeilen Meer anders nennen als offene See? Und es ist ja nun auch nicht gerade so, als könne sich hier jemand unbemerkt anschleichen, selbst wenn hier jemand wäre, der überhaupt etwas hätte, womit er sich anschleichen könnte!
Kurz blickte er zu Merlin Athrawes hinüber, der selbst hier schützend unmittelbar neben ihm stand. In diesem Augenblick, das wusste Cayleb, beobachtete Merlin die Gegend mit Hilfe dieser geheimnisvollen SNARCs. Der Kaiser war sich sicher, dass er nicht genau verstanden hatte, was so ein ›SNARC‹ eigentlich war. Aber er brauchte es auch nicht genau zu wissen - solange nur Merlin es wusste. Cayleb brauchte nur zu wissen, dass Merlins unsichtbarer Blickwinkel, aus der Wyvernperspektive, es ihm nicht nur gestattete, die gesamte Hannah Bay zu überwachen, sondern zugleich auch den Talisman-Golf und all die anderen Gewässer, die sich rings um Zebediah erstreckten wie zahllose, alles umfassende Arme. Wenn es dort draußen auch nur ein einziges Kriegsschiff gab, das sich in einer Position befand, aus der heraus es dem stetigen Fortkommen der charisianischen Flotte gefährlich werden konnte, würde Merlin das wissen.
Eigentlich, sinnierte Cayleb, liegt die tatsächliche Gefahr eher darin, sich allzu sehr auf Merlins besondere Fähigkeiten zu verlassen. Vielleicht stehen die ja doch nicht immer zur Verfügung. Na ja, für jemand anderen außer mir werden sie nicht zur Verfügung stehen, schließlich
ist Merlin meine Leibwache! Also ist es vielleicht auch ganz gut, wenn ich weiterhin ein bisschen
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