Die Invasion - 5
nehmen.«
»Was?!« Wieder verfärbten sich Clyntahns Hängebacken bedrohlich dunkelrot.
»Zhaspahr, ob wir das nun zugeben wollen oder nicht: Die Wahrheit ist doch, dass das, was in Ferayd geschehen ist, genau das ist, was die Charisianer behaupten. Wie es dazu kommen konnte, ob nun Graivyr und die anderen Recht hatten oder nicht, ist in vielerlei Hinsicht schlichtweg unerheblich. Es ändert auf jeden Fall nichts an den Fakten, wer nun wen angegriffen und wer die delferahkanischen Truppen angeführt hat, als es passiert ist. Die Charisianer werden behaupten, ihre Landsleute seien von Leuten umgebracht worden, die man kaum anders denn als Lynchmob bezeichnen kann - angeführt von Priestern des Offiziums der Inquisition. Sie werden darauf hinweisen, dass es sich bei vielen Toten um Frauen und Kinder gehandelt hat und dass Kinder in diesem Alter sich kaum entschieden haben werden, Ketzer zu sein. Was das betrifft, Zhaspahr, wissen Sie genauso gut wie ich, dass zumindest ein paar Charisianer ebenso wenig Ketzer sind wie Sie oder ich! Begreifen Sie doch: Das sind gottesfürchtige Menschen, die entsetzliche Angst vor diesem ganzen Schisma haben! Es ist sehr gut möglich, dass einige von denen, die in Ferayd getötet wurden, zu genau dieser Sorte Menschen gehörten! Und glauben Sie bloß nicht, Leute wie Wylsynn werden nicht genau daraufhinweisen, wenn wir das nicht tun.«
›Wenn wir das nicht tun.‹ Mit einem Mal war in Clyntahns Augen ein misstrauisches Funkeln zu erkennen.
»Ich wusste, dass Ihnen das nicht gefallen würde - genau wie ich es Ihnen prophezeit habe! Aber das ist die einzige Lösung, die mir einfallen will«, erklärte Trynair störrisch. »Und es ist auch die einzige Lösung, auf die sich Rhobair einlassen wird - und das ist etwas, das wir nicht einfach von der Hand weisen dürfen. Es sei denn, natürlich, Sie würden darüber nachdenken wollen, was wohl geschieht, wenn Rhobair sich dazu entschließt, sich den Wylsynns anzuschließen!«
Ganz offensichtlich hatte Clyntahn nichts dergleichen im Sinn, und Trynair lächelte dünn.
»Das habe ich mir gedacht.«
»Und wie genau wollen wir das verhindern?«, wollte Clyntahn wissen. Sein Gesicht war immer noch hochrot, und das Misstrauen in seinem Blick war deutlicher denn je.
»Wir leiten eine eigene Untersuchung ein und kommen zu dem Schluss, dass die Charisianer Recht hatten«, antwortete Trynair unumwunden.
»Niemals!«
Trynair zuckte nicht einmal mit der Wimper. Es war ja nun nicht so, als habe er Clyntahns augenblickliche, lautstarke Reaktion nicht längst erwartet.
»Wir haben keine andere Wahl, Zhaspahr. Entweder wir führen diese Untersuchung durch und verurteilen letztendlich Graivyrs Handeln, oder Wylsynn und die anderen Zauderer im Rat - ganz zu schweigen von weltlichen Herrschern wie Stohnar - werden begreifen, dass wir ihnen etwas vormachen. Das können wir uns nicht leisten, Zhaspahr! Vor allem nicht angesichts der Beweise, die Cayleb und seine Charisianer vorlegen können - und das auch tun werden. Abgesehen davon ist es ja nun nicht so, als würde Graivyr noch leben, oder? Er ist tot. Nichts von dem, was wir sagen oder unternehmen, wird ihn in irgendeiner Weise treffen. Und selbst wenn wir sein Handeln verurteilen, werden wir nicht gezwungen sein, ihn zu bestrafen - diese kleine, unschöne Aufgabe hat uns Cayleb bereits abgenommen. Abgesehen davon: Denken Sie doch einmal darüber nach, wie gut wir dann dastehen! Angesichts von Beweisen für das Fehlverhalten einiger Personen, die sich Mutter Kirche verschrieben haben - selbst wenn es Ketzer und Abtrünnige sind, die diese Beweise vorlegen -, werden wir gehandelt haben.«
Clyntahn legte die Stirn in Falten. Zumindest brüllte er nicht mehr herum, und Trynair nutzte sofort aus, dass er sich einen Vorteil verschafft hatte.
»Über eines sollten wir uns im Klaren sein, Zhaspahr: Mir ist vollkommen bewusst, dass im Falle von Ferayd besondere Umständen berücksichtigt werden müssen. Aber Ihnen ist ebenso klar wie mir, dass Priester, die sich tatsächlich der Verbrechen schuldig gemacht haben, die Charis ihnen vorwirft, gemäß dem Kirchenrecht genau in der Art und Weise zu bestrafen wären, wie es jetzt geschehen ist. Gemäß dem Buch Schueler stehen darauf sogar noch ungleich schlimmere Strafen! Ich weiß, ich weiß!« Er winkte ab, als Clyntahn schon zu einer hitzigen Entgegnung ansetzen wollte. »Das hätte vor einem ordentlichen Kirchentribunal geschehen müssen, und man hätte
Weitere Kostenlose Bücher