Die Invasion - 5
jedenfalls so, solange jemand wie Zebediah Euch nicht so sehr unterschätzt, dass er eine Dummheit begeht. Das aber kostet manchmal vielen Menschen das Leben.«
»Da gebe ich Euch Recht.« Wieder blickte Cayleb zu Merlin hinüber, und seine Miene wirkte sehr ernst. »Aber ich denke, in diesem Fall hatte Nahrmahn ganz Recht. Zebediah weiß, dass er gar keine andere Wahl hat als uns das Recht einzuräumen, unsere Truppen hier zu stationieren, genau wie ich es von ihm verlangt habe. Und natürlich hat er mehr als nur oberflächliches Interesse angesichts der Vorstellung gezeigt, er werde der ranghöchste Adelige von Zebediah bleiben, wenn wir die Insel offiziell ins Reich eingliedern. Und er hat auch ganz und gar die Absicht, mir ein treuer, hilfreicher Vasall zu sein - genau bis zur ersten Gelegenheit, die er sieht, mir einen Dolch zwischen die Schulterblätter zu rammen.«
»Und genau deswegen ist es vielleicht nicht gut, wenn er Euch zu sehr unterschätzt.«
»Das Wesentliche hier ist Euch entgangen, Merlin. Es ist nicht die Frage, ob er eine Gelegenheit suchen wird, mich zu verraten, sondern lediglich, wie lange er braucht, um eine zu finden. Aus diesem Grund ist mir ein Zebediah, der zu viel Siegesbewusstsein an den Tag legt, ganz recht. Ich möchte verhindern, dass er so viel Angst vor mir bekommt, dass er tatsächlich ernst zu nehmende Vorsichtsmaßnahmen trifft. Am liebsten wäre es mir, wenn er seinen Versuch, die Seiten zu wechseln, unternähme, noch bevor wir uns den Streitkräften der Kirche zum Kampf stellen. Besser, er sinnt auf Verrat, solange wir nicht durch eine ernsthaftere Bedrohung abgelenkt sind! Meint Ihr das nicht auch?«
»Damit könntet Ihr Recht haben«, entgegnete Merlin langsam und bedächtig. »Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, ob ich bereit bin, Eurer Logik zu folgen. Aber ich muss zumindest zugeben, dass Eure Analyse logisch ist. Aber es erscheint mir ein wenig ... um die Ecke gedacht.«
»Es gibt Momente, Merlin, in denen es mir deutlich leichter als sonst fällt, Euch zu glauben, dass Ihr wirklich in dieser ›Terra-Föderation‹ aufgewachsen seid.«
»Wie bitte?« Fragend hob Merlin die Augenbraue, und Cayleb lachte rau.
»In einer freundlicheren und aufrichtigeren Welt - wie der, in der Ihr aufgewachsen seid, zumindest was Fragen der Politik betrifft -, würde ich Zebediah einfach nur in aller Ruhe loswerden. Ich würde ihn als Großherzog ›entlassen‹ und mir jemand anderen für diese Aufgabe suchen. Vorzugsweise einen Charisianer, von dem ich weiß, dass er mir die Treue halten wird und der eine angemessene Belohnung für seine Dienste verdient. Bedauerlicherweise kann ich das aber nicht tun. Oder vielmehr: Ich könnte es wohl tun, müsste aber einen hohen Preis dafür zahlen. Denn der nächste Adelige, der vielleicht daran interessiert sein könnte, mit mir zu einer Übereinkunft zu gelangen, wird sich dann unweigerlich fragen, ob ich wohl die Absicht habe, auch ihn seines Titels zu berauben, um Titel und Macht einem meiner Günstlinge zu überlassen, sobald das für mich bequemer ist.
Ich habe Nahrmahn nicht einfach nur wegen seiner diplomatischen Kontakte mit offenen Armen empfangen, auch nicht wegen seines zweifellos beachtlichen Wertes als Berater. Es ist eine glückliche Fügung, dass er ein doch recht sympathischer Bursche ist - zumindest, wenn er nicht gerade versucht, mich umbringen zu lassen. Aber ich hatte von vornherein die Absicht, ihn zu behandeln, als würde ich ihn mögen, selbst wenn er sich als gänzlich unerträglich herausgestellt hätte. Und trotzdem habe ich ihn nicht aus diesem Grund so warmherzig empfangen, und das war auch nicht der Grund, warum ich dafür gesorgt habe, dass sich Zhan mit Mahrya verlobt. Ich wollte vielmehr ein deutliches Zeichen für alle anderen Prinzen, Herzöge und Grafen setzen, nämlich, dass ich bereit bin, vernünftig und pragmatisch zu entscheiden und nicht unbedingt auf Rache sinne. Und solange jemand die Versprechen einhält, die er mir gegeben hat, werde auch ich gegebene Versprechen einhalten. Das gilt auch für das Versprechens, dass jeder, der sich mit mir verbündet, seinen Titel weiterhin führen und an seine Erben weitergeben darf. Dieses Versprechen verliert nur seine Gültigkeit, wenn mir jemand berechtigten Anlass dazu gibt, ihm wegen Hochverrates jegliche Rechte abzusprechen. Und wenn jemand das tut, wenn jemand ganz offenkundig seinen Eid bricht und sich auf die Seite meiner Feinde schlägt, dann bin ich
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