Die Invasion - 5
›Vierer-Gruppe‹ und den Rat der Vikare darüber informiert, dass wir ihre Autorität bestritten. Wir sagten ihnen, wir wüssten, wer und was sie wirklich seien, nämlich Verbrecher. Wir erklärten, wir wollten sie für ihre Verbrechen zur Verantwortung ziehen - ihre Verbrechen gegen das Volk von Safehold, gegen Mutter Kirche und gegen Gott. Und nach all diesen Ankündigungen, Mein Lord, halten Sie es nun für besser, diese verbrecherischen Priester in Ferayd nicht ihrer gerechten Strafe zuzuführen? Sie hätten also wirklich Männer anders behandelt, deren Schuld zweifelsfrei bewiesen ist, deren schriftliche Berichte, deren eigene Aussagen, deutlich zeigen, dass sie mit Stolz und Befriedigung angeordnet haben, Kinder zu ermorden, ja?«
»Eure Majestät, ich wollte eigentlich nur ...«
»Bitte beantworten Sie meine Frage, Mein Lord!« Nun klang Sharleyans Stimme noch unverkennbar frostiger. »Ist das wirklich der richtige Zeitpunkt, Schwäche zu zeigen? Nicht nur der ›Vierer-Gruppe‹, sondern ganz Safehold zu zeigen, dass wir doch nicht über die Kraft dessen verfügen, woran wir glauben? Dass wir nicht auf unsere eigenen Prinzipien vertrauen?«
White Churchs Miene wirkte ernstlich unglücklich, und sein Blick zuckte von einem der hier am Tisch versammelten Ratsmitglieder zum nächsten, als suche er nach jemandem, der ihn vor dem Zorn der Kaiserin zu bewahren vermochte. Doch was er sah, waren Männer, in deren Augen deutlich zu lesen stand, dass sie gleicher Ansicht wie die Kaiserin waren. White Churchs Adamsapfel zuckte hektisch auf und ab, als er heftig schluckte.
»Nein, Eure Majestät, natürlich nicht!«, brachte er heraus.
»Ich bin froh, dass wir bei etwas derart Grundlegendem einer Meinung sind, Mein Lord«, erwiderte sie und durchbohrte ihn weiter mit ihrem Blick. »Mir geht es nicht anders als den meisten: Ich vergieße nicht gerne Blut«, fuhr sie fort. »Der Kaiser und ich haben es so klar wie nur möglich ausgedrückt: In unserem Kaiserreich werden nicht einfach Menschen umgebracht, weil sie anderer Ansicht sind als wir oder weil sie gegen die Kirche von Charis sind und gegen unseren Kampf gegen die ›Vierer-Gruppe‹ opponieren. Die Schlussfolgerung daraus ist klar und sollte jedem klar sein.« Endlich entließ sie White Church aus ihrem Blick und schaute der Reihe nach alle hier Versammelten an. »Wir werden bestrafen, wessen Schuld zweifelsfrei bewiesen ist, und Gewänder, die für Verbrechen missbraucht und verraten wurden, werden niemanden vor dieser Strafe schützen. Wir hingegen werden nicht das Blut Unschuldiger vergießen. Aber wir werden die, die Blut vergießen, für jeden Tropfen dieses Blutes zur Rechenschaft ziehen. Gibt es hier am Tisch jemanden, der diesen grundlegenden Punkt unserer Politik noch nicht verstanden hat?«
Niemand sagte ein Wort. Tatsächlich, ging es Gray Harbor durch den Kopf, wagt im Augenblick sogar niemand auch nur zu atmen. Er war sich sogar sicher, dass das zumindest auf White Church zutraf. Die Kaiserin hatte die ganze Zeit über nicht einmal die Stimme gehoben. Doch der Bewahrer des Siegels sah erschreckend danach aus, als hoffe er darauf, der Boden möge sich unter ihm auftun und ihn verschlingen.
Idiot, dachte der Erste Ratgeber ohne allzu viel Mitgefühl.
Andererseits fiel es Gray Harbor in gewisser Hinsicht leicht, Mitleid mit White Church zu haben. Zumindest ein Teil seiner Besorgnis ließ sich schlichtweg mit menschlichem Eigennutz erklären. White Church war ein wohlhabender Mann. Ein Großteil seines eigenen Vermögens, und auch das seiner Familie, war in Handelsunternehmungen investiert und in die beachtlich große Handelsflotte, die seine Familie und er gemeinsam unterhielten. Zweifellos war er hocherfreut gewesen, dass Rock Point fast alle Schiffe, die ursprünglich in Delferahk beschlagnahmt worden waren, wieder hatte zurückerobern können (von zwei Stück abgesehen). Was White Church aber noch nicht begriffen hatte, war, dass die Konfrontation zwischen Charis und dem Tempel jetzt in eine Phase eingetreten war, in der selbst der für die Existenz des Reiches doch so wichtige Handel plötzlich nur noch eine untergeordnete Rolle spielte. Vielleicht war das ja auch nicht sonderlich überraschend. Schließlich verstand jeder Charisianer, beinahe schon instinktiv, wie wichtig der Wirtschaftsverkehr war. Bedauerlicherweise jedoch schien White Church nur eine Priorität zu kennen. Alles, was den Handel des Kaiserreichs zu stören drohte, was
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