Die Invasion - 5
Märkte zu schwächen. Denn gerade jetzt unternimmt die ›Vierer-Gruppe‹ sämtliche Anstrengungen, uns die Zufahrt zu allen Häfen des Festlandes zu verwehren. Und um ehrlich zu sein, ziehe ich es vor, einen Präzedenzfall für Ausfuhr zölle so lange zu vermeiden, wie sich das bewerkstelligen lässt. Haben Sie möglicherweise schon darüber nachgedacht, stattdessen die Einfuhrzölle zu erhöhen? Ich denke, es wäre ratsamer, einen Preisanstieg bei Luxusgütern hinzunehmen und damit deutlich bescheidenere Preiserhöhungen bei Rohstoffen und Lebensmitteln, als die Nachfrage nach unseren eigenen Gütern zu verringern.«
Die Art und Weise, in der Ironhill die Augenbrauen hob, verriet gleichermaßen Überraschung wie Respekt. Auch er würdigte die Scharfsinnigkeit der Kaiserin und die Sachdienlichkeit ihrer Vorschläge. Gray Harbor indes lehnte sich in seinem Sessel zurück und gestattete sich ein kleines Lächeln. Ahlvyno Pawalsyn war einer seiner engsten Freunde, beide hatten einander stets respektiert. Doch im Augenblick frustrierte die Überraschung des Intendanten der Zivilliste den Ersten Ratgeber beinahe ebenso, wie sie ihn belustigte.
Ach, komm schon, Ahlvyno!, dachte er sardonisch. Das kannst du doch besser! Du bist doch weiß Gott zehnmal so klug wie White Church! Ich weiß, dass sie jung ist und eine Fremde in unserem Land. Und ich weiß auch, dass sie eine Frau ist. Aber du — und der Rest des Rates ... ihr alle solltet euch allmählich an die Vorstellung gewöhnen, dass sie vielleicht sogar noch klüger ist als Cayleb - und mindestens ebenso energisch. Denn glaub mir, jedem, der das nicht begreift, wird ganz und gar nicht gefallen, was sie dann mit ihm anstellt!
Der Graf stützte die Ellenbogen auf die Armlehnen seines bequemen Sessels, schlug die Beine übereinander und betrachtete die junge Frau, die am Kopfende des Konferenztisches saß und mühelos beinahe zwanzig Männer genau in die Richtung lenkte, die sie wünschte. Dabei war selbst der jüngste der hier versammelten Ratsmitglieder mindestens doppelt so alt wie sie und im politischen Geschäft ein alter Hase.
Diese Idioten in Zion haben nicht den Hauch einer Vorstellung, auf was die sich einlassen, wenn sie diese Frau gegen sich aufbringen, dachte er dankbar und vielleicht - nur vielleicht - ein ganz kleines bisschen selbstgefällig. Die mögen ja jetzt schon glauben, sie sei schlimm. Aber da täuschen sie sich. Sie haben noch keine Ahnung, wie schlimm sie wirklich ist ... Aber das werden sie sicher noch herausfinden.
»Meint Ihr, ich habe zu viel Druck ausgeübt, Euer Eminenz?«, fragte Sharleyan Tayt Ahrmahk deutlich später an diesem Abend ihren Gast. Erzbischof Maikel war ihrer Einladung gefolgt, gemeinsam mit ihr zu speisen.
»Während der Ratssitzung, Eure Majestät?« Staynair lachte leise und schüttelte mit einem sanften Lächeln auf den Lippen den Kopf. »Darum würde ich mir keine Sorgen machen. Ich bin mir sicher, dass Ihr dem einen oder anderen kräftig auf die Füße getreten seid. Der ein oder andere wird sich vielleicht auch in seiner männlichen Eitelkeit verletzt gefühlt haben. Aber ich denke nicht, dass Ihr unberechtigterweise jemanden angegangen seid. Und selbst diejenigen, die vielleicht anfänglich geneigt sein könnten, Eure Ideen einfach abzutun, weil Ihr so jung seid und dazu auch noch eine Frau, werden letztendlich die Logik begreifen, die hinter Euren Entscheidungen steht.«
»Zu Hause in Cherayth würde ich mir nicht so viele Sorgen machen«, gestand sie. Sie beugte sich vor, um nach ihrem Weinglas zu greifen, und lehnte sich dann wieder in ihrem Sessel zurück. »Natürlich hat es eine Zeit gegeben, da habe ich mir auch daheim Sorgen gemacht. Aber ich hatte immerhin mehrere Jahre Zeit, mir die einzelnen Mitglieder des Rats von Chisholm ... zurechtzuschleifen.«
»Zurechtzuschleifen?«, wiederholte Staynair und lachte erneut. »Ihr meint doch wohl eher, Ihr habt so lange auf sie draufgehauen, bis sie gehorsam waren!«
»Oh, bei Langhorne, nein!« Sharleyan riss die Augen auf und schüttelte den Kopf. »Draufhauen wäre doch gänzlich undamenhaft!«
»Ich denke, in Eurer Persönlichkeit findet sich das eine oder andere gänzlich Undamenhafte, Eure Majestät«, erwiderte Staynair. »Und dafür sei Gott gedankt!«
»Also denkt Ihr nicht, ich würde mit zu harten Bandagen kämpfen, um mich zu behaupten?«, fragte sie, nun deutlich ernsthafter. Der Erzbischof hob eine Augenbraue und blickte sie an. Sharleyan
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