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Die Invasoren von Ganymed

Die Invasoren von Ganymed

Titel: Die Invasoren von Ganymed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick , Ray Nelson
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Blatt aus der Schreibmaschine und legte es zu den übrigen Manuskriptseiten; dann verpackte er das Manuskript sorgfältig und adressierte es an seinen Verleger in New York. Er legte das Päckchen in den Postausgangskorb, und der autonome Mechanismus des Korbs beförderte es aus dem Raum. Das war es also.
     Müde schleppte er sich zu dem kleinen Arzneimittelschrank. Der fehlende Schlaf machte sich jetzt endlich bemerkbar. Er nahm eine gefüllte Ampulle heraus und dachte, daß eine Überdosis davon ausreichen würde, ihm den ersehnten Herzstillstand zu bringen.
     Er ließ sich am Ende der Analytikercouch nieder und krempelte seinen Ärmel hoch. Er verabreichte sich die Spritze. Sein Arm war durch so viele vorhergehende Injektionen bereits unempfindlich geworden; er spürte nichts.
     Die Spritze zerbrach, als sie aus seinen sich plötzlich versteifenden Fingern glitt und zu Boden fiel. Seufzend legte er sich auf die Couch zurück.
    Seine Untergebenen fürchteten ihn so sehr, daß sie erst anderthalb Tage später die Tür aufzubrechen wagten und seinen toten Körper fanden.

    XIII

     »Was verstehen – Sie wissen nicht, wo er ist?« fragte Dr. Choate.
     »Wie ich es gesagt habe«, gab Ed Newkom zurück und zuckte die Schultern. Die beiden Männer standen sich einen Augenblick lang schweigend in dem kleinen Hotelzimmer in Knoxville gegenüber, dann wandte sich Dr. Choate ab.
     »Er muß doch irgendeinen Hinweis hinterlassen haben, wie wir ihn erreichen können«, sagte Choate.
    »Nichts dergleichen«, sagte Ed Newkom.
     Es war heiß geworden in ihrem Zimmer. Choate wischte sich mit einem Taschentuch aus irischem Leinen den Schweiß von der Stirn; er blinzelte im hellen Sonnenlicht, das durch das Fenster hereinfiel, und fühlte, wie eine unbestimmte Wut in ihm hochkam. »Ich muß ihn finden; ich muß wissen, ob er bereit ist, die Percy-X-Mission zu übernehmen oder nicht. Es ist nun schon fünf Tage her; vielleicht denkt er gar nicht daran, wieder zurückzukommen.«
     »Sie kennen Paul ziemlich gut, nicht wahr?« fragte Ed Newkom.
     »Das ist das ärgerliche; ich kenne ihn. Ich weiß, wie sehr er sich emotional mit seinen Patienten einläßt. Es gehört zu seinem Therapiestil, daß er den Patienten fast wie einen Gleichgestellten behandelt. Eine schlechte Methode – sie ist zu belastend für den Therapeuten. Es kann gut sein, daß er unter diesem Druck zusammenbricht.« Choate war jetzt nicht mehr wütend, sondern empfand echte Anteilnahme für Paul Rivers.
    Paul Rivers spürte in diesem Augenblick eine innere Ruhe und inneren Frieden, wie er es nie zuvor erfahren hatte. Er hatte zu begreifen begonnen, wie man – einfach nichts tat. Die Gesellschaft für sexuelle Freiheit hatte das nicht zu erreichen gewußt, aber Joan Hiashi gelang es; sie lehrte es ihn jetzt, in einer EinMann-Hütte in den Wäldern von Tennessee, ein gutes Stück von der nächsten Asphaltstraße entfernt. Sie hatte ihm beigebracht, wie man sich gleich einer Pflanze in die Sonne legte – und Wurzeln wachsen ließ.
     Sie lagen jetzt Seite an Seite auf der baufälligen Veranda, und nur ihre Fingerspitzen berührten sich. Paul hatte einmal halbherzig versucht, sie zu küssen, aber sie hatte ihn freundlich beiseite geschoben, und er hatte das »Nein« als Antwort akzeptiert. Nach über einer Stunde träger, gedankenloser Stille begann sie nun zu sprechen, langsam und gedehnt.
     »Ich kann nicht mehr lieben; ich würde mich dabei so falsch fühlen. Ich bin weder eine Frau noch ein Mann; ich bin beides und doch keins von beiden. Ich bin das ganze Universum und zugleich nur ein einziges kleines Auge, das beobachtet. Ein Mann oder eine Frau zu sein, das bedeutet, eine Rolle zu spielen – und ich spiele keine Rollen mehr. Ist es nicht trotzdem schön, wenn du mich berührst? Ist es nicht ebenso schön, wie wenn man einen Hund oder eine Katze berührt?«
     »Ja«, sagte Paul, kaum hörbar. Dies ist das erste Mal, dachte er, daß eine Frau es verstanden hat, mich als mich selbst zu nehmen. Es verstanden hat, bei mir zu sein, ohne zu verlangen, daß ich mich ihr zuwende und ihr ständig beweise, daß sie existiert. In gewisser Weise ist es wahr, begriff er, daß es im großen und ganzen nur ein Rollenspiel bedeutet, ein Mann oder eine Frau zu sein, nur eine kulturell bestimmte Pflichtübung, die nur wenig mit dem zu tun hat, was wir in unserem Innersten sind. Wie oft, fragte er sich selbst, habe ich geliebt, ohne es wirklich zu wollen, sondern weil

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