Die IQ-Kids und die geklaute Intelligenz (German Edition)
geschah. Als sie sich vergewissert hatte, dass alles still war, hoppelte sie weiter. Der Weg zu ihrem kleinen Bau erschien ihr auf einmal furchtbar weit. Sie lief schneller und fühlte sich erst sicherer, als sie das Loch zu ihrem Bau sehen konnte. Es war jetzt gut versteckt, denn der schlaue Kaninchenjunge hatte es mit Zweigen und Blättern getarnt. Er hatte endlos lange damit verbracht, alles zum Loch zu ziehen und es so zurechtzulegen, dass man hinaus- und hineinkam, ohne die Tarnung zu zerstören. Das kleine Kaninchenmädchen fühlte sich seitdem sehr wohl in seinem Bau. Jetzt war sie sich sicher, dass kein Mensch wusste, was sich hinter dem Loch befand. Es hatte sie sehr gefreut, dass er sich so um sie gekümmert hatte, denn das konnte nur eins bedeuten: dass er auch in sie verliebt war. Sie seufzte wieder.
Aber was war das? Das Kaninchenmädchen erstarrte. Hinter den Zweigen, die den Eingang verdeckten, bewegte sich etwas. Ihr blieb fast das Herz stehen. Jemand hatte begriffen, was sich dahinter verbarg. Was sollte sie jetzt tun? Vielleicht wartete drinnen ein Fuchs oder eine Katze geduldig auf sie. Sie schaute sich suchend nach einem Fluchtweg um, entdeckte aber keinen. Überall lagen trockenes Laub und andere Pflanzen auf der Erde, und das Rascheln, das sie beim Weglaufen verursachte, würde sie verraten. Das kleine Kaninchenmädchen spürte, wie sich sein Herz vor Angst zusammenzog. Es war zu Ende. Vielleicht sollte es so sein, das Leben war ohnehin so traurig, nachdem der hübsche Kaninchenjunge eingefangen worden war. Sie seufzte und ergab sich ihrem Schicksal.
Doch was war das? Das kleine Kaninchenmädchen spitzte die Ohren und starrte zum Bau. War das nicht ein weißes Kaninchenohr? Vielleicht nur ein Wildkaninchen, das Schutz suchte. Das Kaninchenmädchen hüpfte näher heran. Jetzt sah sie ein schwarzes Ohr aufblitzen. Es mussten zwei Kaninchen sein. Sie hüpfte noch etwas näher. Oder was? War das möglich? Durch das Loch zwängte sich jetzt ein ganzer Kopf. Ein weißer Kopf mit einem weißen und einem schwarzen Ohr. Das kleine Kaninchenmädchen sprang vor Freude in die Luft. Der hübsche, kluge Kaninchenjunge! Er war zurück! Überglücklich hoppelte sie zu ihrem Bau. Sie hätte schwören können, dass der Kaninchenjunge lächelte, als er sie auf sich zuflitzen sah. Aber nein, das konnte ja nicht sein. Kaninchen lächeln nicht. Zumindest normale Kaninchen nicht.
War das Leben nicht wunderbar?
Über Yrsa Sigurðardóttir
Yrsa Sigurðardóttir ist »Islands Antwort auf Stieg Larsson« (»Daily Telegraph«) und »gehört in die erste Riege nordischer Krimi-Autoren« (»The Times«). Ihre Krimis für erwachsene Leser sind in 30 Sprachen übersetzt worden und nicht nur in Deutschland sehr erfolgreich. ›Die IQ-Kids und die geklaute Intelligenz‹ ist das erste Kinderbuch der Autorin, das auf Deutsch erscheint.
Impressum
Covergestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Coverabbildung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, Vivien Heinz
Die isländische Originalausgabe erschien 2003 bei Vaka-Helgafell, Reykjavík
Copyright ©Yrsa Sigurðardóttir, 2003
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2011
Published by agreement with Veröld Publishing, Reykjavík, Iceland
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ISBN 978-3-10-401288-9
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