Die irische Heilerin
Sonne berührte den Horizont und überzog das Land mit Gold. Sie ging langsam und versuchte währenddessen, nicht über Séamus’ Befehl nachzudenken. Ihre Chance, sich als Heilerin zu beweisen, war verloren.
Connors Gesicht brannte im Fieber, und in seinen Händen pulsierte es schmerzhaft. Als sich die Tür zur Krankenhütte öffnete, hörte er eine vertraute Stimme murmeln: „Was hat sie dir angetan, Connor?“
Er hob den Kopf und erkannte das Gesicht seines Pflegevaters Séamus. Connor zwang sich zu einem Lächeln und sagte: „Deine Heilerin Eileen hat mich ans Bett gefesselt, und ich habe nicht die Kraft, ihr zu entkommen.“
Sein Scherz wurde von Séamus mit einem kurzen Lachen quittiert. „Dann lass mich dich retten, mein Junge. Unsere wirkliche Heilerin kann sich um dich kümmern.“ Sein von Falten durchzogenes Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an. „Wie ist das passiert?“
„Ich bin fälschlich angeklagt worden, Ó Banníons Tochter verführt zu haben. Seine Männer haben mir die Hände zertrümmert.“
Séamus fluchte leise. „Du kannst dir sicher sein, dass ich das vor den Richtern zu Gehör bringen werde.“
Connor zögerte einen Moment. „Vielleicht später.“ Er biss die Zähne gegen den Schmerz zusammen. „Stimmt es tatsächlich, dass es eine neue Heilerin gibt?“
„Ja, das ist richtig.“ Séamus trat näher und setzte sich neben das Lager auf den Fußboden. „Ihr Name ist Illona Ó Banníon.“
Connor zeigte keinerlei Regung, als der Name Ó Banníon genannt wurde. Es schien ein grausamer Scherz der Götter, seinen Feind in Gestalt der Heilerin zu ihm zu schicken. „Ich will sie nicht sehen.“
„Ich kann deine Wut verstehen, aber ich habe Eileen verboten, als Heilerin zu arbeiten. Sie ist zu jung und hat nicht das nötige Wissen.“
Connor blickte auf seine geschienten Hände hinab, aber er drängte seine Zweifel zurück. Auch er vertraute Eileens Heilkünsten nicht vollkommen, aber er würde es niemals in Betracht ziehen, eine Heilerin der Ó Banníons seine Hände auch nur berühren zu lassen.
„Ich will lieber, dass Eileen meine Hände schient als jemand, der den Namen Ó Banníon trägt.“
Séamus atmete hörbar aus. „Ich bin erschienen, um dich mit mir zu nehmen.“
Connor war bewusst, dass Séamus es gut meinte. Dennoch wollte er sich diesem Ansinnen widersetzen, es lieber auf Eileens Fähigkeiten ankommen lassen. „Vielen Dank für das Angebot, aber ich werde hierbleiben.“
„Das kann ich nicht erlauben.“
„Aber das wirst du. Ich traue einer Heilerin der Ó Banníons nicht. Und hier kann ich abgeschieden leben, bis ich wieder gesund bin. Ich will nicht das Mitleid anderer ertragen müssen.“
Séamus straffte seinen Oberkörper. „Es gefällt mir nicht, Junge. Ihretwegen …“ Mitten im Satz brach er ab.
Schmerz lag in der Stimme des Mannes. Connor fragte nicht weiter, denn er wusste, dass das Reden über die Geschehnisse, welcher Art sie auch sein mochten, nur bittere Erinnerungen hervorrufen würde. Stattdessen atmete er tief ein und beharrte weiter auf seiner eigenen Entscheidung, wiederholte sie noch einmal. „Ich werde an diesem Ort bleiben, bis ich meine Kraft zurückhabe.“
Als Eileen die Tür der Krankenhütte erreichte, sah sie sofort Connors blasses Gesicht. Schweiß stand auf seiner Stirn, aber er öffnete die Augen, als sie näher trat.
„Warum hast du es mir nicht gesagt?“, fragte er.
„Was gesagt?“
„Dass du nicht länger die Heilerin bist. Meine Hände …“ Er sprach nicht weiter und schloss wegen der Schmerzen die Augen. Eileen schürte das Feuer und hängte einen Topf mit Wasser über die Flammen.
„Sie tun weh. Ich weiß, die Ursache ist die Schwellung.“
Er stand mühsam auf und taumelte.
„Setz dich wieder hin. Du hast Fieber.“ Eileen half ihm zurück auf das Lager. Sie mischte Kräuter, darunter auch Weidenrinde, die gut gegen eine erhöhte Temperatur wirkten. Anschließend übergoss sie diese in einem hölzernen Becher mit kochendem Wasser, ließ die Mischung ziehen und abkühlen.
Als dies geschehen war, hob sie den Becher an seine Lippen. Er verzog das Gesicht wegen des bitteren Geschmacks, ließ jedoch die Augen nicht von ihr ab.
„Kyna hat mir beigebracht, was sie wusste“, sagte Eileen. „Es ist alles in Ordnung mit meinen Kenntnissen.“
„Ist das tatsächlich so?“
Sie hörte die Zweifel in seiner Stimme, weigerte sich aber, darauf einzugehen. „Willst du wirklich, dass Illona Ó
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