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Die irische Heilerin

Die irische Heilerin

Titel: Die irische Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MICHELLE WILLINGHAM
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ignorieren, die sie ausstießen, als sie alles daransetzten, sich gegenseitig zu Boden zu ringen.
    Die ganze Zeit über suchten ihre Augen nach einem noch so kurzen Blick von Connor, der aber irgendwo in der Menge untergetaucht zu sein schien.
    „Die brehons sind bereit, deinen Fall anzuhören“, sagte Niall zu Connor. „Sie warten im Zelt auf dich.“
    Connor wusste schon jetzt, was die Richter ihm mitzuteilen hatten. Sie würden eine Strafe in Form von einigen Silberstücken für die Ó Banníons verhängen. Aber es war für ihn undenkbar, Silberstücke für den Verlust seiner Hände anzunehmen.
    „Ist Deirdre bei ihnen?“, fragte er.
    Niall neigte den Kopf, seine Augen blickten undurchdringlich. „Ja, ist sie.“
    Connor nahm innerlich sofort eine Verteidigungshaltung an. Seine Geduld war schon jetzt bis zum Äußersten gespannt. Er schob den Vorhang vor dem Eingang des Zeltes beiseite.
    Morann Ó Duinne saß auf einem niedrigen Hocker. Sein langer grauer Bart kräuselte sich beinahe bis zur Erde, und dichtes weißes Haar bedeckte seinen Schopf. Es hieß, dass seine schwarzen Augen bis tief in das Herz eines komplizierten Falls vordringen und die gerechte Lösung erkennen konnten. Zwei weitere Männer – einer von ihnen gehörte zum Ó-Duinne-Clan, ein anderer zu dem der Ó Banníons – nickten ihm zur Begrüßung zu.
    Morann betrachtete aufmerksam Connors Hände, bevor sein Blick zu Deirdre hinüberwanderte. Züchtig und still biss sie auf ihre Unterlippe wie ein aufmüpfiges Kind. Ihre blasse Haut ließ sie wie ein Opfer aussehen.
    Sie würden Deirdres tränenvoller Aussage glauben, dass er ihre Unschuld geraubt hatte. Connor ballte die Fäuste und fühlte ganz bewusst den Schmerz, der dadurch verursacht wurde. Er erinnerte ihn daran, was er verloren hatte. Und alles nur wegen ihr.
    Er stritt nicht ab, dass auch er Fehler gemacht hatte. Wäre er stets allein, ohne weibliche Gesellschaft, geblieben, wäre dies vielleicht nicht passiert. Er hatte die Umarmungen williger Frauen gern angenommen, und nun musste er den Preis dafür bezahlen.
    „Ich habe die Einzelheiten bereits von Séamus gehört, und so will ich nun Connor bitten, von seinen Verletzungen zu berichten.“ Morann wandte sich an Flann Ó Banníon. „Dann werde ich Eure Anklage hören. Am Ende legen wir eine eraic – Strafe fest, um die Sache zu bereinigen.“
    Flann trug von einem Wettkampf am frühen Morgen noch immer seine Rüstung. Ein von Schwertstreichen gezeichneter Panzer aus Bullenleder streckte sich über seine Brust. Darunter wurde eine safranfarbene Tunika aus Seide sichtbar. Eine Streitaxt hing an seiner Seite, die kupferne Klinge glänzte im Nachmittagslicht. Er war ein erfahrener Anführer und ihr Clanoberhaupt, und seine Leute brachten Flann den Respekt als einem ihrer größten Krieger entgegen.
    Beinahe ein halbes Jahr lang hatte Connor mit Flanns Männern gekämpft und das Wissen eines wahren Meisters des Schwerts genossen. Ihn jetzt zu sehen, einen zornigen Anführer ohne Reue für seine Tat, vertiefte seinen Hass nur noch.
    Er blickte seinem Feind in die Augen. Sein Bedürfnis nach Rache wuchs zu einem wirbelnden Gewittersturm. Er wollte Flann auch das zerschmetternde Gewicht des Steins fühlen, ihn denselben Schmerz empfinden lassen, den er in seinen Händen hatte ertragen müssen. Er sehnte sich nach Gerechtigkeit.
    Aber noch während er dem Stammesführer in die Augen starrte, wusste er, dass das an diesem Ort nicht geschehen würde. „Ich sehe, du glaubst ihren Lügen noch immer.“
    „Meine Tochter würde bei einer solchen Sache niemals die Unwahrheit sagen.“ Der Zorn auf Flanns Gesicht zeigte sich nun unverstellt. „Du hast ihr wehgetan …“
    „Ich habe sie niemals angerührt.“
    Stille Tränen liefen über Deirdres Gesicht. Connor empfand nur Verachtung für ihre Täuschung.
    „Ich will Eure Hände sehen, Connor MacEgan.“ Der brehon – Richter bedeutete ihm, ihm seine Verletzungen zu zeigen. Connor streckte die verwachsenen Finger seiner rechten Hand aus. Niemand konnte die Verletzungen abstreiten.
    „Habt Ihr den vollen Gebrauch der Hand wiedererlangt?“, fragte Morann.
    Niemals würde er vor Flann eine Schwäche zugeben. „Das habe ich.“
    „Nein …“ Eileen hatte das Zelt in diesem Moment betreten. Ihr kastanienbrauner Zopf hing ihr bis zu den Hüften, ihre graugrünen Augen starrten Morann an, als könnte sie allein mit ihrer Anwesenheit seine Entscheidung beeinflussen.
    Was machte sie hier?

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