Die irische Heilerin
Schienen neu ein, und sein Bewegungsspielraum hatte sich seitdem erweitert.
Séamus gefiel es, dies zu hören. „Gut“, sagte er. Sein scharfer Blick richtete sich jetzt auf Eileen. „Bridget und Frasier haben mir erzählt, dass du ihr neues Baby zur Welt gebracht hast.“
„Das stimmt.“ Sie hob das Kinn und erwiderte seinen Blick ohne Scheu. „Bridget hat eine gesunde Tochter.“
„Es war dir verboten, als Heilerin tätig zu werden.“
„Meine Cousine brauchte meine Hilfe.“ Wut stand plötzlich in ihrem Gesicht. Wie konnte er es wagen, sie zurechtzuweisen, nur aus dem Grund, weil sie ihrer Familie geholfen hatte? Sie war es müde, sich immer wieder verteidigen zu müssen, müde, die Schuld für das zugewiesen zu bekommen, was mit seinen Söhnen passiert war. Es brach auch ihr das Herz, sich an die winzigen, zerbrechlichen Körper der Babys zu erinnern, und sie wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, die Vergangenheit ungeschehen zu machen.
„Illona hat mir gesagt, wie gut du gearbeitet hast.“
Waren seine Worte sanfter geworden? Oder bildete sie sich das nur ein? Séamus’Augen richteten sich derweil auf Connors Hände. „Illona ist in dieser Nacht noch auf Flann Ó Banníons Befehl nach Dunhaven zurückbeordert worden. Wusstest du das?“
Eileen schüttelte den Kopf. Sie versuchte die Welle der Hoffnung zu unterdrücken, die sie durchströmte. „Nein, davon habe ich nichts mitbekommen. Ich dachte, sie würde bei uns als Heilerin tätig sein.“
„Als Flann von Connors Anwesenheit bei uns erfuhr, hat er ihr verboten, länger hierzubleiben.“
Misstrauen klang aus ihrer Stimme. „Warum sagst du mir das?“
Séamus blickte zu Riona hinüber, deren Gesicht blass geworden war. „Bis Samhain werde ich dir das Recht zugestehen, wieder unsere Heilerin zu sein. Wenn du in dieser Zeit beweist, dass du es wert bist, eine solche genannt zu werden, darfst du es weiterhin sein.“
„Nein!“, brach es aus Riona hervor. Harter Schmerz stand in ihren Augen, ihr Gesicht war weiß vor unterdrückten Emotionen. „Das kannst du nicht zulassen, Séamus. Nicht nach dem, was mit meinen Söhnen passiert ist. Sie sind wegen ihr gestorben.“
Eileen schüttelte den Kopf, unfähig, etwas zu sagen. Sie erkannte die entsetzliche Trauer, die Qualen einer Mutter. Sollte etwas mit Rhiannon geschehen, würde sie dann nicht dasselbe spüren? Es gab keine Worte, die Rionas Zorn schmälern würden. Nur die Zeit konnte vielleicht heilend wirken.
Séamus nahm Rionas Hand und streichelte sie. „Du brauchst keine Angst zu haben, a ghrá. Sie wird niemandem Schaden zufügen.“
Er beugte sich vor. Sein Gesicht hatte strenge Züge angenommen, der warnende Unterton seiner Stimme war nicht zu überhören.„Aber ein Tod während der Probezeit, Eileen, und du wirst uns verlassen. Hast du das verstanden?“
„Ich bin nicht Gott. Ich kann einen natürlichen Tod nicht verhindern“, widersprach sie. Die Hoffnung, die in ihr aufgekeimt war, schien auf einmal vernichtet zu sein. „Wenn eines Mannes Seele gerufen wird, kann ich nichts dagegen tun.“
„Kein Tod unter deiner Hand.“
„Was du von mir forderst, ist unmöglich. Keine Heilerin vermag solch ein Versprechen zu geben.“
„Dann werde ich nach jemand anderem senden.“
„Du würdest mich zwingen zu gehen, wenn ich versage?“
„Ja, das würde ich.“ Seine ernste Miene überzeugte sie, dass er meinte, was er sagte. „Bis du dich nicht beweist, denken unsere Leute, dass du verflucht bist. Sie werden dir nicht trauen, wenn etwas vorher schiefgeht. Ich kann nicht prophezeien, was sie dir antun würden. Wenn du diesen Ort verlassen müsstest, wäre es zu deinem eigenen Schutz.“
Eileen hatte das Gefühl, als würde sie sich an den Rand einer Felsspalte klammern. Sie wollte sein Angebot so gern annehmen, diese lang ersehnte zweite Chance. Aber wenn sie während der Probezeit versagte, würde sie vielleicht ihrem Heim und ihrer Familie den Rücken kehren müssen.
Die Erinnerung an den Tod des Geschichtenerzählers verfolgte sie. Auch wenn sie bis jetzt keine weiteren Anzeichen der Blattern entdeckt hatte, hieß das noch lange nicht, dass keine Bedrohung bestand.
Aber sollte die Krankheit ausbrechen, dann gab es sowieso niemand anderen, der den Dorfbewohnern helfen könnte. Die meisten Leute würden sterben, wenn sie nicht Séamus’ Angebot zustimmte. Sie hatte keine Wahl, als es anzunehmen. Auch wenn dieser Vorschlag eine große Gefahr für sie beinhalten
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