Die irische Signora
sich mit dem Abendkurs.
Aidan Dunne war zur Schule gegangen, weil er hoffte, dort die Signora zu treffen. Aber es war alles dunkel und zugesperrt. In den Pub ging sie nie allein, und da sich im Café die Geschenkeinkäufer der letzten Minute auf die Füße treten würden, war sie dort bestimmt auch nicht. Bei den Sullivans hatte er sie noch nie angerufen, damit konnte er jetzt also schlecht anfangen.
Aber er wollte sie unbedingt noch vor Weihnachten sehen, denn er hatte ein kleines Geschenk für sie, ein Medaillon mit einem winzigen Porträt von Leonardo da Vinci darin. Es war zwar nicht teuer gewesen, doch schien es genau das Richtige für sie zu sein. Und deshalb sollte sie es auch an Weihnachten haben. Eingepackt war es in Goldpapier mit der Aufschrift
Buon Natale
. Nein, nachträglich war es nicht dasselbe.
Oder sehnte er sich vielleicht nur danach, sich ein wenig mit ihr zu unterhalten? Sie hatte ihm einmal erzählt, daß sie manchmal am Ende der Straße, in der sie lebte, auf einem kleinen Mäuerchen sitze und die Berge betrachte. Dabei überlege sie dann, wie anders ihr Leben doch geworden sei und daß die Bezeichnung
vista del monte
für sie mittlerweile in erster Linie die Schule bedeutete. Vielleicht saß sie ja auch heute abend dort.
Aidan Dunne ging durch die Siedlung, wo in den Fenstern Weihnachtsbeleuchtungen blinkten und Bier ins Haus geliefert wurde. Wie anders mußte die Signora doch das letzte Weihnachtsfest verbracht haben, als sie noch unter lauter Italienern in einem sizilianischen Dorf lebte.
Da saß sie tatsächlich und blickte ihm ruhig entgegen. Ja, sie schien kein bißchen überrascht. Er setzte sich neben sie.
»Ich bringe Ihnen Ihr Weihnachtsgeschenk«, sagte er.
»Und ich habe Ihres dabei«, erwiderte sie und zeigte auf ein großes Paket.
»Sollen wir sie gleich aufmachen?« Aidan Dunne war sehr neugierig.
»Warum nicht?«
Und sie packten das Medaillon und einen großen, buntbemalten italienischen Teller aus, der mit seiner gelbgoldenen Farbgebung und den roten Sprenkeln darin wunderbar in Aidans Zimmer paßte. Überschwenglich bedankten sie sich, dann saßen sie weiter nebeneinander wie Teenager, die keinen Platz hatten, wo sie hingehen konnten.
Doch irgendwann wurde es ziemlich kalt, und plötzlich standen beide gleichzeitig auf.
»
Buon natale
, Signora.« Er küßte sie auf die Wange.
»
Buon natale
, Aidan,
caro mio
.«
An Heiligabend schufteten sie in dem Elektrogeschäft bis spätabends. Warum sich die Leute wohl erst in letzter Minute für ein elektrisches Tranchiermesser, den Videorecorder oder einen Wasserkocher entscheiden konnten? Lou ackerte den ganzen Tag, und es war schon fast Geschäftsschluß, als Robin mit einem Lieferschein bei der Warenabholung erschien. Irgendwie hatte Lou ihn erwartet.
»Frohe Weihnachten, Lou.«
»
Buon natale
, Robin.«
»Was soll das?«
»Das ist italienisch. Seit du mich in diesen Kurs geschickt hast, kann ich kaum noch englisch denken.«
»Ach ja. Nun, ich wollte dir sagen, daß du jederzeit damit aufhören kannst«, meinte Robin.
»
Was?«
»Ja, sicher. Man hat einen neuen Platz gefunden, aber die Leute sind dir sehr dankbar, daß alles so ruhig und problemlos abgewickelt werden konnte.«
»Und was ist mit der letzten Lieferung?« Lou war kalkweiß im Gesicht.
»Was soll damit sein?«
»Sie ist immer noch dort.«
»Du machst Witze.«
»Glaubst du, ich würde über so was Witze machen? Nein, am Donnerstag ist niemand gekommen, das Zeug wurde nicht abgeholt.«
»Beeil dich ein bißchen und bring dem Herrn seine Ware.« Der Vorarbeiter wollte endlich Feierabend machen.
»Gib mir deinen Lieferschein«, flüsterte Lou.
»Es ist ein Fernsehapparat, für dich und Suzi.«
»Das kann ich nicht annehmen«, erwiderte Lou. »Sie würde gleich wissen, daß er geklaut ist.«
»Er ist nicht geklaut, ich habe gerade dafür bezahlt.« Robin war gekränkt.
»Ich weiß, aber du verstehst, was ich meine. Ich hole ihn und trage ihn dir zum Wagen.«
»Eigentlich wollte ich dich mit dem Überraschungsgeschenk zu ihr nach Hause fahren.«
Wie Lou vermutet hatte, handelte es sich um das teuerste Modell, das es im Laden gab. Absolute Spitzenklasse. Nie im Leben würde Suzi Sullivan ihm abkaufen, daß dieses Gerät auf rechtmäßige Weise in seinen Besitz gelangt war. Und sie würde es nicht in ihrer Wohnung dulden, er konnte sich das Hochtragen also sparen.
»Mensch, Robin, wir haben jetzt wirklich andere Probleme als den
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