Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die irische Signora

Die irische Signora

Titel: Die irische Signora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
Vom Netzwerk:
er weder Freunde noch Familie. War es da nicht mehr als verständlich, wenn er sich zum Trost an seinem freien Tag ein paar Whiskeys genehmigte?
    Sie ging weiter und führte Laddy zu einer Wahrsagerin. »Sollen wir es mal versuchen?« meinte sie.
    Wie er sich freute, daß sie noch blieben! Er hatte nämlich befürchtet, sie wollte vielleicht schon heimgehen. »Ich würde mir gerne die Zukunft vorhersagen lassen«, erwiderte er. Die Zigeunerin Ella betrachtete eingehend seine Handfläche. Große Erfolge bei Spiel und Sport prophezeite sie ihm, ferner ein langes Leben und eine Arbeit, bei der er viel mit Menschen zu tun hatte. Und Reisen. Sie sah eine Reise über das Wasser. Rose seufzte. Warum hatte sie das mit dem Reisen noch hinzufügen müssen, bis dahin war doch alles so gut gewesen. Denn außer in ihrer Begleitung würde Laddy doch niemals von zu Hause fortkommen. Es war sehr unwahrscheinlich, daß so etwas je passieren würde.
    »Jetzt du, Rose«, forderte er sie auf.
    Die Zigeunerin Ella blickte erfreut auf.
    »Ach, meine Zukunft kennen wir doch schon, Laddy.«
    »Wirklich?«
    »Ich werde mit dir zusammen den Hof führen.«
    »Aber ich werde doch viele Menschen kennenlernen und über das Wasser reisen.«
    »Ach ja, stimmt«, pflichtete Rose ihm bei.
    »Dann laß dir schon aus der Hand lesen, mach doch, Rose.« Er wartete voll gespannter Ungeduld.
    Die Zigeunerin Ella weissagte Rose, daß sie heiraten würde, noch ehe ein Jahr vergangen war. Sie würde ein Kind bekommen, das ihr viel Freude machen würde.
    »Und werde ich auch über das Wasser reisen?« erkundigte sich Rose mehr aus Höflichkeit als aus echtem Interesse.
    Nein, davon sah die Zigeunerin Ella nichts. Allerdings würde sie krank werden, wenn auch erst spät in ihrem Leben. Die fünf Shilling wechselten die Besitzerin, und danach kauften sie sich noch ein Eis, bevor sie nach Hause aufbrachen. Der Weg erschien Rose diesmal sehr lang, und sie war froh, daß sie nicht auch noch die Statue schleppen mußte.
    Laddy plapperte davon, was für ein herrlicher Tag es doch gewesen sei und daß er sich in der Geisterbahn gar nicht wirklich gefürchtet habe. Während Rose ins Feuer starrte, dachte sie an die Wahrsagerin Ella und was für ein seltsames Leben es war, mit immer den gleichen Menschen von Stadt zu Stadt zu ziehen. Vielleicht war sie ja mit dem Mann vom Autoskooter verheiratet.
    Schließlich ging Laddy zu Bett, mit den Comic-Heftchen, die sie ihm gekauft hatte. Was die Leute vom Rummelplatz jetzt wohl machten, fragte sich Rose. Bald würde man dort schließen. Die bunten Lichter würden verlöschen, und die Schausteller würden in ihre Wohnwägen gehen. Neben dem Feuer lag Tripper und schnarchte leise, Laddy im oberen Stock schlief bestimmt schon. Draußen war es dunkle Nacht. Rose dachte an die Prophezeiung der Zigeunerin, daß sie heiraten und ein Kind bekommen würde; und daß sie im Alter krank werden würde. Solche Attraktionen sollten wirklich verboten werden. Manche Leute waren dumm genug, alles zu glauben.
    Mitten in der Nacht wachte sie plötzlich auf und hatte das Gefühl, von etwas erdrückt zu werden. Ein großes Gewicht lastete auf ihr, und sie versuchte sich voller Panik zu befreien. War etwa der Kleiderschrank umgefallen? Oder ein Teil des Daches eingebrochen? Als sie gerade um Hilfe schreien wollte, legte ihr jemand die Hand auf den Mund. Dann roch sie den Alkohol. Ihr wurde schier übel, als sie plötzlich begriff, daß Shay Neil in ihrem Bett war und auf ihr lag.
    Verzweifelt versuchte sie sich seinem Griff zu entwinden. »Bitte, Shay«, flüsterte sie. »Bitte, Shay, tun Sie das nicht.«
    »Du hast doch darum gebettelt«, sagte er, während er immer noch auf ihr lag und ihre Beine auseinanderdrückte.
    »Shay, das habe ich nicht. Ich möchte nicht, daß Sie das tun. Shay, wenn Sie jetzt aufhören, vergessen wir die Sache.«
    »Warum flüsterst du dann?« Auch er flüsterte.
    »Damit Laddy nicht aufwacht und erschrickt.«
    »Nein, damit Laddy nicht aufwacht und wir es tun können. Deshalb soll er nicht aufwachen.«
    »Ich gebe Ihnen alles, was Sie wollen.«
    »Nein, ich werde es dir gleich geben, darum geht es hier.« Er war grob, er war schwer und zu stark für sie. Zwei Möglichkeiten blieben ihr: Sie konnte nach Laddy schreien, damit er ihn niederschlug. Aber sollte Laddy sie in diesem Zustand sehen, mit zerrissenem Nachthemd und in der Gewalt dieses Mannes? Die andere Möglichkeit war, es über sich ergehen zu lassen. Rose

Weitere Kostenlose Bücher